Tanz der Moleküle: Schwingungen des Wassers aus anderer Sicht
Mit der Terahertz-Spektroskopie haben Chemiker der Ruhr-Universität Bochum kürzlich den überraschend weitreichenden Einfluss von in Wasser gelösten Biomolekülen auf den Tanz der sie umgebenden Wassermoleküle nachgewiesen. Jetzt gelang es ihnen mit aufwändigen Simulationen im Supercomputer, diese Choreographie im Detail zu erklären.
Im virtuellen Labor gewannen die Forscher um Prof. Dr. Dominik Marx (Theoretische Chemie) und Prof. Dr. Martina Havenith-Newen (Physikalische Chemie II) Hinweise auf den Mechanismus, mit dem gelöste Biomoleküle die Wassermoleküle in ihrer Umgebung über Entfernungen bis zu mehreren Molekülabmessungen beeinflussen können. Entscheidend sind die Biomolekül-Wasser-Grenzflächen.
Unerwartete Entdeckung mit Terahertz-Strahlung
Flüssiges Wasser reagiert, wie andere Flüssigkeiten auch, mit charakteristischen Schwingungen auf Anregungen durch Wellen eines weiten Spektralbereichs. Bei Frequenzen, die denen des infraroten Lichts entsprechen, kann man die Schwingungen innerhalb der einzelnen Moleküle beobachten. Bei niedrigeren Frequenzen, im Terahertz-Bereich, der im elektromagnetischen Spektrum zwischen den Frequenzen des infraroten Lichts und der Mikrowellenstrahlung liegt, finden viel komplexere Bewegungen statt, bei denen sich ganze Wassermoleküle relativ zueinander bewegen , erklärt Terahertz-Spezialistin Prof. Havenith-Newen. Diese Bewegungen beinhalten insbesondere das Schliessen und Aufbrechen des dreidimensionalen Wasserstoffbrücken-Netzwerks, welches die Wassermoleküle aneinander bindet und für die aussergewöhnlichen Eigenschaften von Wasser verantwortlich ist. Diese Beobachtungen sind erst seit kurzem durch die Entwicklung neuartiger Laserstrahlungsquellen möglich. Studien an der RUB führten zu Entdeckung eines unerwartet weitreichenden Einflusses von im Wasser gelösten biologisch relevanten Molekülen wie Zucker oder Proteinen, dem sog. Terahertz-Tanz des Wassers. Rund um das Molekül herrscht Ordnung in der Schrittfolge: Während sich Wassermoleküle für sich genommen wie Diskotänzer bewegen, führen sie in der Nähe von Biomolekülen ein Menuett auf , sagt Prof. Havenith-Newen. Allerdings war bislang unklar, wie dieses unerwartete Phänomen zu erklären ist.
Die Choreographie des Wassers
Die zugrunde liegenden Schwingungen zwischen Wassermolekülen sind äusserst komplex. Es war daher bislang nicht möglich, den experimentellen Befund durch einen fundierten Mechanismus zu erklären. Gemeinsam führten die Forscher der beiden Lehrstühle daher Molekulardynamik-Simulationen von Wasser durch, welche allerdings nicht wie auf diesem Gebiet üblich auf einem empirischen Modell zur Beschreibung der Wechselwirkung zwischen den Molekülen beruhen, sondern mit Hilfe von ab initio-Simulationen beschrieben werden. Erstmals wurden Simulationen in einer Grßenordnung durchgeführt, welche statistisch signifikante Aussagen über die vergleichsweise langsamen Schwingungen zwischen den Wassermolekülen zulassen. Ermöglicht wurden diese immens aufwändigen Berechnungen durch die Unterstützung des Leibniz Rechenzentrums in Garching bei München, welches die erforderliche Rechenzeit auf dem nationalen Supercomputer HLRB2 zur Verfügung stellte. Durch neu entwickelte Analyseverfahren konnte nachgewiesen werden, wie genau die THz-Schwingungen des Wassers durch korrelierte Bewegungen vieler Wassermoleküle zu beschreiben sind: sozusagen durch Wassertröpfchen im Wasser selbst. Damit haben wir die Choreographie des reinen Wassers bei niedrigen Frequenzen aufgedeckt , sagt Prof. Marx.
Gestörte Choreographie
Wird nun ein Stoff, etwa ein Protein, in Wasser gelöst, so stört dieser die Choreographie des Wassers an seiner Grenzfläche. Damit lassen sich die experimentellen Befunde der THz-Spektroskopie qualitativ verstehen. Die korrelierten Schwingungen von Wassermolekülen bei THz-Frequenzen weisen ein neuartiges Verhalten auf, das sich grundlegend von den bereits seit langem bekannten Infrarot-Schwingungen der chemischen Bindungen innerhalb der Wassermoleküle unterscheidet , erklärt Prof. Marx. Wie die Studie zeigt, werden letztere lediglich durch lokalisierte Schwingungen in einzelnen Molekülen sowie direkter Nachbarn beschrieben. Ganz anders hingegen die Choreographie des THz-Tanzes: Hierbei bewegen sich viele, wenn auch nur indirekt über Wasserstoffbrücken verbundene Moleküle, gemeinsam in einer konzertierten Weise im Raum und Zeit. Es sind nun die Veränderungen dieser Korrelation, hervorgerufen durch Biomolekül-Wasser-Grenzflächen, die von der THz-Spektroskopie detektiert und technologisch ausgenutzt werden.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum