Sedimente: Neue Erde aus alten Schlämmen
Wissenschaftler der Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung haben in Zusammenarbeit mit der BAUER Umwelt GmbH ein naturnahes Verfahren zur Sedimentbehandlung entwickelt und im Pilotmassstab getestet. Damit gibt es künftig eine Alternative zur Deponierung von Gewässersedimenten. Bei dem neuen Verfahren wird das Sediment je nach Zustand einer Schlammkonditionierung, einem Bioleaching der Schwermetalle sowie einer Revitalisierung des gereinigten Materials unterzogen.
Sedimente werden in allen Flüssen mit dem Wasser von der Quelle in Richtung Mündung transportiert und schliesslich ins Meer gespült. Wo der Mensch wassertechnische Bauwerke errichtete, wird dieser Sedimenttransport häufig unterbrochen. Die Sedimente lagern sich ab, beeinträchtigen die Funktion von Stauanlagen oder Einrichtungen zum Hochwasserschutz und müssen schliesslich entfernt werden. Ein konkretes Beispiel ist das Elsterbecken in Leipzig. Hier müssen regelmässig Sedimente entnommen werden, um den Hochwasserschutz der Messestadt zu gewährleisten. Jährlich werden so mehrere Tausend Kubikmeter Sediment ausgebaggert, für die es bisher keine sinnvolle Verwendung gab.
Das Vorbild der Natur inspirierte die Forscher zu einer neuen Methode: Auenböden demonstrieren, dass in der Natur im Laufe der Zeit aus Flusssedimenten Erde wird. Ein am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) entwickeltes Verfahren zur Reinigung schwermetallbelasteter Sedimente mithilfe von Pflanzen und Mikroorganismen nutzt im ersten Verfahrensschritt diesen Effekt. Durch den Einsatz gezielt ausgewählter Pflanzen wird im Zusammenspiel mit Mikroorganismen in nur einer Vegetationsperiode aus schlammig-pastösem Sediment ein krümelig-erdiges Material.
Da sich der anthropogene Eintrag von Schadstoffen in die Weisse Elster in den letzten 20 Jahren drastisch verringert hat, sind die oberflächennahen Sedimente wenig belastet und können nach der Konditionierung mit Pflanzen verwertet werden. Die älteren, tiefer liegenden Sedimente sind im Elsterbecken grßtenteils mit Schwermetallen kontaminiert, die teils geogenen Ursprungs aus dem Erzgebirge, teils das Erbe früherer Industriestandorte am Flussoberlauf sind. Das Gesamtverfahren zur Reinigung der Gewässersedimente sieht sechs Teilschritte vor: Als erstes wird das Sediment nach der Korngße sortiert und dabei der kontaminierte feinkörnige Anteil von unbelastetem Sand und Kies getrennt. Anschliessend wird das feinkörnige schlammig-pastöse Material mit Hilfe von Pflanzen in eine krümelig-erdige Form überführt. Die schwermetallhaltigen Sedimente können im zweiten Verfahrensschritt mit Hilfe von Mikroorganismen von den Schwermetallen befreit werden. Dieses so genannte BIOLEACHING kann prinzipiell auch im schlammigen Zustand durchgeführt werden , erläutert Dr. Andreas Zehnsdorf vom UFZ. Das ist aber im Vergleich zur Behandlung von krümelig-erdigem Material viel teurer. Nachdem die Schwermetalle von den Mikroorganismen in eine lösliche Form gebracht wurden, werden sie mit Wasser ausgewaschen und im Waschwasser anschliessend mit Kalkmilch ausgefällt. Mit Kalk wird das erdige biologisch verarmte Material neutralisiert und anschliessend mit Kompost, der aus den inzwischen geernteten Pflanzen gewonnen wurde, revitalisiert. Heraus kommt ein von Schwermetallen befreites bodenartiges Substrat. Schadstoffarmes vererdetes Material könnte direkt als Bodensubstrat für Deponieabdeckungen oder im Landschaftsbau eingesetzt werden , erläutert Dr. Uwe Schlenker von der BAUER Umwelt GmbH die Einsatzmöglichkeiten. Dadurch ist eine Reduzierung der Entsorgungskosten möglich.
Die Sedimentkonditionierung mit Pflanzen, wird zurzeit gemeinsam vom UFZ und der BAUER Umwelt GmbH im Bodenreinigszentrum Hirschfeld in die Praxis überführt. Gefördert wird dieses Vorhaben aus Mitteln der EU (EFRE) und des Freistaates Sachsen (SMWK) im Rahmen des Projektes Grossversuch zur Vererdung von Sedimenten des Elsterbeckens Leipzig .
In einem Behandlungsbecken mit einer Fläche von 1.170 Quadratmetern werden unter anderem unterschiedliche Methoden der Aussaat und Bepflanzung getestet, um das Verfahren ökonomischer zu machen. Die Kosten dafür wurden durch die Nutzung spezieller Aussaatvorrichtungen auf etwa ein Zehntel verringert. Eine dieser Aussaatvorrichtungen wurde vom UFZ als Gebrauchsmuster geschützt. Ausserdem konnte geklärt werden, wann die Pflanzen am günstigsten geerntet werden sollten. Die Zusammenarbeit zwischen dem UFZ in Leipzig und der BAUER Umwelt GmbH in Rosswein beschränkt sich allerdings nicht allein auf dieses Projekt. Beide Partner können inzwischen auf eine 16-jährige erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Erprobung innovativer Forschungsergebnisse und deren Überführung in die Praxis zurückblicken. Und auch für die Zukunft sind weitere gemeinsame Vorhaben geplant.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ