Wie Abwehrzellen sich ihren Weg zu den Lymphknoten bahnen
Um Krankheitserreger effektiv zu bekämpfen, müssen Abwehrzellen die abgelegendsten Stellen unseres Körpers erreichen können. Dazu nutzen sie zwei grosse Gefässsysteme: das Blut- und das Lymphgefässsystem. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried haben jetzt erstmals beobachten können, wie Abwehrzellen durch kleine Öffnungen in der Gefässwand der Lymphgefässe schlüpfen. „Die Zelle schiebt dabei einen Zellausläufer in die Öffnung“, beschreibt Forschungsgruppenleiter Michael Sixt. „So blockiert sie wie mit einem Fuss in der Tür den Eingang, dehnt die Öffnung leicht auf und schiebt sich dann hindurch.“ Die Arbeit wurde im Journal of Experimental Medicine veröffentlicht.
Die Untersuchungsobjekte von Michael Sixt, sogenannte dendritische Zellen, gehören zur menschlichen Immunabwehr. Wie eine Art Polizei sitzen sie in Geweben wie der Haut und warten auf Eindringlinge. Trifft die dendritische Zelle auf einen solchen Feind, nimmt sie die Informationen über den Fremdling auf. Anschliessend wandert sie in die Lymphgefässe und dann weiter zu den Lymphknoten, wo sie die Information anderen Immunzellen wie ein Fahndungsfoto präsentiert. Diese können dann mit der zielgerichteten Abwehr beginnen.
Wie gelangen die dendritischen Zellen in die Lymphgefässe?
Die Lymphflüssigkeit fliesst in doppelwandigen Lymphgefässen. Die innere Wand wird dabei von einem löchrigen Mantel umgeben. Diese zwei Barrieren muss die dendritische Zelle auf ihrem Weg zu den Lymphknoten überwinden. Mit ihren Fortsätzen tastet sich die Immunzelle als erstes durch den löchrigen Aussenmantel des Gefässes. „Die Zelle schiebt einen Fuss in die Tür“, beschreibt Michael Sixt das beginnende Einwandern. „Dann dehnt sie die Öffnung immer weiter aus und schiebt ihren Zellkörper nach und nach hindurch.“ Nach dem Übergang schliesst sich die elastische Öffnung wieder. Doch noch ist das Ziel nicht erreicht. Die dahinter liegende Gefässwand ist mit Ventilen ausgestattet, die wie Falltüren funktionieren. Sobald die Zelle die Falltür weit genug aufdrückt, kann sie hindurchschlüpfen und so ins Innere des Gefässes gelangen. Dort angekommen, lässt sich die dendritische Zelle zu ihrem Zielort, dem Lymphknoten, treiben. Es sind weder Hilfsproteine oder chemische Substanzen notwendig, um die Gefässwand zu durchdringen. „Es handelt sich um einen rein mechanischen Vorgang“, so der Forscher.
Das neu gewonnene Wissen um die Wanderungen der dendritischen Zellen in die Lymphgefässe, könnte auch bei der gezielten Tumorbekämpfung eine Rolle spielen. „Es ist wahrscheinlich“, beschreibt Michael Sixt, „dass Tumorzellen ähnliche Mechanismen benutzen, wenn sie in Lymphgefässe eindringen, um schliesslich im Lymphknoten Metastasen zu bilden.“
Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie