Erdbeben – Meeresgrund unter Druck
Heute, am 17.08.2009, wurde Japan erneut von einem Erdbeben erschüttert. Im Rahmen des Forschungsprojekts NanTroSEIZE versuchen Wissenschaftler zu verstehen, warum die Erde hier so oft bebt. Während einer Expedition mit dem Bohrschiff CHIKYU vor die japanische Westküste konnte MARUM-Wissenschaftler Dr. Michael Strasser mit internationalen Kollegen Bohrproben vom Meeresboden gewinnen. Demnach leiten Risse in der Erdkruste Bewegungen, die bei Beben entstehen, ab. Interessant ist, dass diese Störungen im Lauf der Zeit unterschiedlich aktiv sind. Nature Geoscience veröffentlicht die Befunde des Forscherteams in seiner gestrigen Online-Ausgabe (16. August) bzw. im gedruckten September-Heft.
Die Reise der CHIKYU führte zum Nankai-Trog, eine der aktivsten Erdbebenzonen weltweit. Hier taucht die ozeanische Philippinische Platte mit einer Geschwindigkeit von 4 Zentimeter pro Jahr unter die Eurasische Kontinentalplatte ab. Dabei schabt die obere Eurasische Platte Teile des Meeresbodens von der unteren Philippinischen Platte. Eingekeilt zwischen den mächtigen Erdplatten gerät das abgeschabte Sedimentmaterial unter enormen Druck. Risse entstehen, sogenannte Störungen. Vor Japan ist der landwärts gelegene Teil des Nankai-Sedimentkeils von einer prominenten Störung durchzogen, die sich parallel zur Küste über eine Länge von 120 Kilometer erstreckt. „Wir bezeichnen solche gigantischen Störungen als Megasplays“, sagt Nature-Autor Dr. Michael Strasser. „Sie können die Bewegungen, die bei Erdbeben in grossen Tiefen entstehen bis zum Meeresboden übertragen. Unter Umständen löst das dann Tsunamis aus.“
Bislang waren die Kenntnisse über Megasplay-Störungen lückenhaft. Sie stammten aus seismischen Untersuchungen und aus Modellrechnungen. „Mit den Bohrkernen vom Meeresboden, die wir an Bord der CHIKYU gewonnen haben, ist es nun erstmals möglich, die geologische Vergangenheit solcher Störungen im Detail nachzuzeichnen,“ sagt der aus der Schweiz stammende MARUM-Mitarbeiter. Zusammen mit seinen Kollegen fand Strasser heraus, dass sich die Störung im Nankai-Trog vor etwa zwei Millionen Jahren entwickelte. Mit den Informationen aus den Bohrkernen, können die Wissenschaftler beschreiben, in welchen geologischen Zeiträumen die Störung besonders aktiv war.
„Unser wichtigstes Ergebnis ist, dass die Aktivität der Nankai-Störung über die Jahrhunderttausende schwankt,“ sagt der Geowissenschaftler. Nach einer anfänglichen Phase hoher Aktivität, liess die Bewegung entlang der Störung nach. „Aber vor etwa 1,55 Millionen Jahren wurde die Störung reaktiviert. Seitdem begünstigt sie die Ausbreitung der Erdbebenwellen aus der Tiefe.“
Der Nankai-Trog ist für die Erdbebenforschung auch deshalb besonders geeignet, weil historische Aufzeichnungen über Beben und Tsunamis in dieser Region bis ins siebte Jahrhundert zurückreichen. Zudem liegt hier die sogenannte seismogene Zone, also jene Region, in der Erdbeben ihren Ausgang nehmen, nur etwa sechs Kilometer unter dem Meeresboden. Ziel des Projekts NanTroSEIZE ist es, im Lauf der kommenden Jahre von Bord der CHIKYU Bohrungen bis hinab in diese Zone abzuteufen. Das Kürzel NanTroSEIZE steht für Nankai Trough Seismogenic Zone Experiment und ist Teil des Integrierten Ozeanbohr-Programms IODP.
„Letztendlich hoffen wir, eines Tages Signale aufzuspüren, die direkt vor einem Erdbeben auftreten. Das wäre ein grosser Schritt vorwärts in unserem Bestreben, den Ablauf von Erdbeben und Tsunamis besser zu verstehen“, sagt der 32jährige Wissenschaftler, dessen Arbeiten aus Mitteln des Bremer Exzellenzclusters MARUM und des Schweizer Nationalfonds gefördert werden.
Quelle: Marum