Methan- Quellen: Oasen in der Tiefsee
Eine globale Studie der mikrobiellen Lebensgemeinschaften an Gasquellen der Tiefsee zeigt jetzt die Verbreitung und die Vielfalt Methan zehrender Mikroorganismen. Die außergewöhnliche Energiequelle und die vielen endemischen Mikroorganismen machen diese Ökosysteme zu Oasen in der Tiefsee.
An vielen Stellen im Meer tritt Methan aus dem Meeresboden aus. Besondere Mikroorganismen nutzen das potentielle Treibhausgas zur Energiegewinnung und bilden dadurch die Basis für komplexe Ökosysteme. Jetzt hat ein internationales Forscherteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie die mikrobielle Vielfalt von ausgewählten Methan- Quellen aus allen Ozeanen erfasst und mit den Lebensgemeinschaften von anderen marinen Ökosystemen verglichen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) berichten die Forscher, dass wenige Arten von methanotrophen Mikroorganismen weltweit verbreitet sind, diese aber wohl wesentlich den Methanumsatz des Ozeans bestimmen. Die Lebensgemeinschaften der Methan- Quellen unterscheiden sich dabei stark von denen anderer Lebensräume. Methan- Quellen enthalten viele endemische Mikroorganismen und sind daher Hotspots der Biodiversität in der Tiefsee.
Tiefseeökosysteme haben einzigartige Bewohner
Jedes Ökosystem in der Tiefsee wird von ganz bestimmten Mikroorganismen bewohnt, die sich den drei Domänen im Stammbaum des Lebens zuordnen lassen: Eukaryoten, Archaeen und Bakterien. Eukaryoten haben einen Zellkern, zu ihnen gehören alle Pflanzen, Pilze, Tiere und auch der Mensch. Archaeen und Bakterien hingegen sind winzige Einzeller ohne Zellkern. Die Forscher untersuchten die Zusammensetzung und relative Häufigkeit der Archaeen und Bakterien an 77 Standorten verschiedener mariner Ökosysteme, darunter Küstensedimente, Tiefseesedimente, schwarze Raucher und Methan- Quellen. Sie entnahmen das Erbgut dieser Organismen aus den Meeresbodenproben und werteten dieses mit Hilfe moderner DNA-Sequenzierungsgeräten und mathematischen Algorithmen aus.
Emil Ruff, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut, fasst zusammen: „Fast alle Großgruppen der Archaeen und Bakterien waren an allen untersuchten Standorten vorhanden. Mit zunehmender Auflösung allerdings wurden die Unterschiede zwischen den Ökosystemen deutlicher. Auf Ebene der einzelnen Arten, also den kleinsten Zweigen des Stammbaums, fanden wir Lebensgemeinschaften, die für jedes Ökosystem charakteristisch sind und eine ganz bestimmte Aufgabe haben.“ Die Gesamtheit aller Mikroorganismen eines bestimmten Ökosystems sowie deren genetische Vielfalt bezeichnen Wissenschaftler als dessen Mikrobiom. Ein solches Ökosystem kann der menschliche Darm, der Ackerboden oder eben die Methanquelle sein. Die Leiterin der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Antje Boetius, ergänzt: „Diese Studie ist die erste umfassende Übersicht über Mikroorganismen, die an Methanquellen leben. Erst die internationale Zusammenarbeit im Rahmen des International Census of Marine Microbes hat dies ermöglicht.“
Natürliche Methan- Quellen (kalte Quellen, cold seeps) kommen weltweit an den Kontinentalrändern vor. Das Gas wird durch Zersetzungsprozesse in den tiefen sauerstofffreien Schichten des Sediments gebildet, bahnt sich seinen Weg nach oben und tritt dann aus. Die obersten Sedimentschichten beherbergen Methanoxidierer, die etwa drei Viertel des austretenden Methans verbrauchen. Das entspricht 60 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Das aus der Tiefe stammende Methan ist eine Energiequelle, die sich gänzlich von denen des umliegenden Meeresbodens unterscheidet. Deshalb ziehen Methan- Quellen wie Oasen in der Wüste besondere Organismen an. Dazu gehören Gruppen mit bekannter Funktion, wie die anaeroben methanoxidierenden Archaeen (ANME) und sulfatreduzierende Bakterien (SRB). Die Forscher fanden aber auch mikrobielle Gruppen an den Methan- Quellen mit bisher unbekannter Funktion.
Emil Ruff, Erstautor der Studie, sagt: „Es war überraschend, dass methanotrophe Mikroorganismen aus Methanquellen, die tausende Kilometer voneinander entfernt in verschiedenen Ozeanen liegen, so eng miteinander verwandt sind. Viele Methanoxidierer und Sulfatreduzierer sind nämlich sauerstoffempfindlich. Daher ist es ein Rätsel, wie sie die großen Entfernungen zwischen den Methanquellen unbeschadet überwinden.“ Die Erkenntnisse der Forscher deuten darauf hin, dass nur wenige weltweit verbreitete Populationen für den Großteil des Methankonsums verantwortlich sind. Die überwiegende Artenvielfalt und auch die Bildung neuer Arten ist jedoch lokal begrenzt und nur an einzelnen Standorten zu finden. Methanquellen tragen also einen wichtigen Teil zur Biodiversität der Tiefsee bei.
Quelle: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie