Nach CLOUD- Experiment: Klebstoff hilft bei Wolkenentstehung
Inwiefern Wolken das Klima tatsächlich beeinflussen, steht nach wie vor nicht fest. Vielleicht auch deshalb, weil viele Details der Wolkenbildung noch ungeklärt sind. Seit Jahren beteiligen sich AerosolphysikerInnen der Universität Wien an dem internationalen CLOUD-Experiment am CERN in Genf, um den Wolkenentstehungsprozess zu analysieren. Die WissenschafterInnen haben jetzt herausgefunden, dass die Emissionen von Kiefernwäldern eine Art „Klebstoff“ für die Bildung von Wolkenkondensationskernen liefern und dass Ionen zur Stabilisierung beitragen. Die neuen Ergebnisse erscheinen aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Science.
Im letzten Bericht des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) wurde darauf hingewiesen, dass in heutigen Klimamodellen Wolken nach wie vor der größte Unsicherheitsfaktor sind. Voraussetzung, um die Auswirkungen von Wolken auf das Klima besser modellieren zu können, ist es, die Komplexität der Wolkenbildung zu verstehen. Die neue Studie im Rahmen des CLOUD-Experiments (Cosmics Leaving OUtdoor Droplets) am CERN gibt nun Aufschluss über den ersten Schritt der Wolkenbildung und trägt damit zu einem besseren Verständnis der Wolken-Klima-Verbindung bei. Mit der CLOUD-Kammer können Wolkenbildungs-Experimente präzise durchgeführt und die Zugabe von Chemikalien genau gemessen werden. Auch Parameter wie Temperatur, Druck und Feuchtigkeit können leicht verändert werden. Eine solche Steuerung der Umgebungsbedingungen ist im Feldeinsatz unmöglich.
Wolkentröpfchen entstehen, wenn Wasserdampf in der Atmosphäre an kleinen Teilchen von ca. 50 bis 100 nm Durchmesser kondensiert. Diese sogenannten Wolkenkondensationskeime können von natürlichen Quellen oder menschlichen Aktivitäten kommen: Sie bilden sich in der Atmosphäre häufig aus Stoffen, die ursprünglich als gasförmige Schadstoffe abgesondert wurden. Diese Umwandlung von Gasen in feste oder flüssige Partikel – die Keimbildung – kann die Wolkenentstehung wesentlich beeinflussen. Bis heute ist nicht restlos geklärt, welche Komponenten benötigt werden, damit die Teilchen stabil und groß genug – und tatsächlich „Wolkenkerne“ werden.
Schwefelsäure allein kann nicht die Arbeit machen
Auf der Suche nach des Rätsels Lösung in Sachen Wolkenkeimbildung konnten die ForscherInnen Schwefelsäure als wichtige Zutat ausfindig machen. Die Konzentration der Säure korreliert nämlich mit der Rate der Partikelbildung. Schwefelsäure spielt in der Keimbildung aufgrund des niedrigen Dampfdrucks – d.h. ihres hohen Siedepunkts – eine wichtige Rolle. Dadurch können diese Moleküle der verstärkten Abdampfung aufgrund der anfänglich großen Oberflächenkrümmung der Teilchen entgegenwirken und es so stabilisieren. Es stellte sich allerdings heraus, dass die „pickigen“ Schwefelsäure-Moleküle einen zusätzlichen Kleber benötigen, damit diese Cluster zusammenhalten. Gleichzeitig scheint Schwefelsäure jedoch nur ein Puzzle-Teil zu sein, denn Versuche, die Keimbildungsraten als Folge der Schwefelsäure-Konzentration theoretisch zu erklären, scheiterten.
Die neue Studie zeigt nun, wie diese „Verklebung“ funktioniert. Wissenschafter haben beobachtet, dass Schwefelsäure-Cluster stabiler gegen Verdunstung sind und sich leichter zu Keimen entwickeln, wenn sie bestimmte hoch oxidierende, organische Dämpfe biologischen Ursprungs in der Atmosphäre integrieren, und zwar bei extrem niedrigen Konzentrationen. Die WissenschafterInnen fanden heraus, dass die stabilen Keime Oxidationsprodukte von Alpha-Pinen – einem Molekül, das Kiefernwäldern den charakteristischen Geruch gibt – enthalten. Alpha-Pinen wird vor allem in der warmen Jahreszeit von Bäumen abgesondert und in der Atmosphäre oxidiert.
„Wir haben Wolkenbildungsversuche mit Schwefelsäure und diesem biogenen organischen Oxid in der CLOUD-Kammer gemacht und konnten dabei einen überdurchschnittlichen Anstieg der Keimbildungsrate beobachten. Der Nachweis, dass hoch oxidierende organische Moleküle an der Keimbildung beteiligt waren, gelang auf zwei Arten: Einerseits experimentell mit präzisen Massenspektroskopie-Messungen der Cluster, andererseits theoretisch durch quantenmechanische Berechnungen, die belegen, dass ein Hybrid-Cluster tatsächlich weniger schnell verdampft als ein reiner ‚Schwefelsäure-Cluster'“, erklärt Paul E. Wagner, der bis 2013 als Aerosolphysiker an der Universität Wien tätig war und die Wiener Gruppe bei CLOUD leitete. Seine Arbeitsgruppe war bei der aktuellen Studie maßgeblich an den Messungen der (Aerosol-)Teilchenkonzentrationen beteiligt. Sie entwickelte auch das in der CLOUD-Kammer integrierte Glasfaser-UV-Lichtsystem, mit dessen Hilfe die sonst oft störenden thermischen Einflüsse der UV-Beleuchtung von der Mess-Zone entkoppelt werden und eine präzise Kontrolle der Photochemie in diesen Experimenten ermöglicht wird.
Ionen spielen eine untergeordnete Rolle
Die WissenschafterInnen untersuchten auch eine weitere Methode, um die Cluster-Stabilität und damit die Keimbildung zu erhöhen. Sie versuchten herauszufinden, ob geladene Moleküle (Ionen), die in der Atmosphäre als Folge kosmischer Strahlung erzeugt werden, eine stärkere Kleberwirkung als neutrale Keime haben. „Wir konnten beobachten, dass Ionen zur Stabilisierung beitragen, aber nur bei niedrigen Konzentrationen von Schwefelsäure und organischen Oxiden“, so Paul E. Wagner.
Bessere Modellvorhersagen
Als ein Forschungsergebnis entstand ein globales Aerosol-Bildung-Modell. Mit diesem hofften die WissenschafterInnen, die Keimbildung mit seinen saisonalen Schwankungen real beschreiben zu können. Und tatsächlich – mit dem neuen Modell konnten die saisonalen Höhen und Tiefen der Keimbildung im Laufe eines Jahres vorhergesagt werden. Damit ist bestätigt, dass die Emissionen aus Wäldern eine grundlegende Rolle in der ersten Phase der Wolkenbildung spielen. Damit Partikel tatsächlich Wolkenkondensationskeime werden, müssen sie eine Größe von 50 bis 100 Nanometern erreichen. Da für die neue Studie kleinere Keime herangezogen wurden, ist es verfrüht zu behaupten, dass nun die Wolkenbildung als Ganzes geklärt ist. Darüber hinaus konnte bei den Experimenten nicht die komplette Bandbreite möglicher Wetterbedingungen berücksichtigt werden.
Quelle: Universität Wien