Wie Staub das globale Klima beeinflusst
Der Forschungseisbrecher Polarstern mit einem wissenschaftlichen Schatz kehrte im Frühjahr 2010 aus dem Südpazifik zurück: Meeressedimente aus einem bislang kaum erforschten Teil des Südpolarmeeres. Was für Laien aussieht wie unscheinbarer Schlamm ist für Erdgeschichtsforscher ein wertvolles Archiv, aus dem sie in mehrjährigen Analysen die Klimageschichte der Polargebiete rekonstruieren. Die wiederum ist für das Verständnis der globalen Klimaentwicklung von entscheidender Bedeutung. Mit Hilfe der einmaligen Sedimentkerne aus dem Südozean gelang nun erstmals der lückenlose Nachweis, dass Staub den natürlichen Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten auf der Südhalbkugel maßgeblich mitbestimmt hat. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institutes konnte belegen, dass Staubeinträge dort während aller Eiszeiten der letzten eine Million Jahre um das zwei- bis dreifache höher waren als in warmen Phasen der Klimageschichte.
„Hohe großflächige Staubeinträge können vor allem aus zwei Gründen klimawirksam sein“, erläutert Dr. Frank Lamy, Geowissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, den Befund. „Mit Staub können für das Leben essentielle Spurenstoffe wie das Eisen in den Ozean eingetragen werden. Dadurch kurbelt er die biologische Produktion an und erhöht die Fähigkeit des Meeres Kohlenstoff zu binden. Im Ergebnis wird der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid entzogen. In der Atmosphäre selbst reflektiert Staub die Sonneneinstrahlung und reduziert schon allein dadurch den Wärmeeintrag in das System Erde. Beide Effekte führen dazu, dass die Erde abkühlt.“ Lamy ist Hauptautor der Studie, die am 24. Januar 2014 in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wird. Beteiligt waren u.a. die Geochemikerin Gisela Winckler vom US-amerikanischen Lamont-Doherty Earth Observatory und das Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften MARUM.
Vermutet wurde der Einfluss von Staubeinträgen auf den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten schon länger. Klimaforscher hatten sowohl in antarktischen Eiskernen als auch in Sedimentkernen aus dem atlantischen Teil des Südozeans immer dann besonders hohe eisenhaltige Staubanteile gefunden, wenn die Erde in einer Eiszeit steckte. Aus dem mit 50 Prozent größten Teil des Südozeans, dem pazifischen Sektor, lagen bisher aber keine Daten vor. „Diese zentrale Lücke konnten wir nun schließen“, hebt Lamy die Bedeutung der neuen Studie hervor. „Mit dem Ergebnis, dass wir im Südpazifik die gleichen Muster finden wie in Kernen aus dem Südatlantik und dem Eis der Antarktis. Die erhöhten Staubeinträge waren in Kaltzeiten auf der Südhalbkugel also ein erdumspannendes Phänomen. Sie müssen nun bei der Bewertung der komplexen Mechanismen, die natürliche Klimaänderungen steuern, anders berücksichtigt werden.“
Was in Lamys Worten schon fast beiläufig klingt, hat für die Forschung erhebliche Relevanz. Denn bisher waren viele Wissenschaftler davon überzeugt, dass Staubeinträge im pazifischen Raum auch während der Eiszeiten nicht höher sein konnten als in wärmeren Perioden des Erdklimas. Woher sollten größere Staubmengen in diesem Bereich der Weltmeere kommen? Bisher wurde vor allem Südpatagonien als erdgeschichtliche Staubquelle vermutet, das als einzige Landmasse wie ein riesiger Finger in den Südlichen Ozean hineinragt. Wegen der in diesem Teil der Welt vorherrschenden Westwinde werden Staubpartikel in der Luft von Südamerika aus aber vorwiegend Richtung Atlantik verdriftet. Daten aus dem Südpazifik standen deshalb schon lange auf der Wunschliste der Wissenschaft.
Für die Forschung hat der pazifische Teil des Südozeans aber trotz moderner Technik noch immer etwas von einer „terra incognita“. Er zählt zu den abgelegensten Bereichen der Weltmeere. „Die Region ist geprägt von extremen Stürmen und einem Seegang, bei dem Wellenhöhen von über zehn Metern nicht selten sind. Wegen der sehr weiten Entfernungen zwischen größeren Häfen ist das Gebiet auch logistisch kompliziert“, beschreibt AWI-Wissenschaftler Dr. Rainer Gersonde, Co-Autor und damals Fahrtleiter der Polarstern-Expedition, die besondere Herausforderung der Forschungsfahrt.10.000 Seemeilen – also 18.500 Kilometer – war die Polarstern in diesem besonders unwirtlichen Teil des Südpolarmeeres unterwegs, um qualitativ hochwertige und ausreichend lange Sedimentkerne ziehen zu können.
Woher aber kamen die historischen Staubfrachten Richtung Südpazifik, und warum gab es die phasenweise erhöhten Einträge überhaupt? Frank Lamy glaubt, dass eine Ursache in der Verlagerung oder Ausdehnung der in dieser Region besonders kräftigen Windbänder in Richtung Äquator liegt. Unter Seeleuten ist der gesamte Südozean mit seiner mächtigen Westwinddrift – den „Roaring Fourties“ und den „Furious Fifties“ – berüchtigt. Er gilt als eine der windreichsten Regionen der Erde. Durch eine Verlagerung oder Ausdehnung dieses kräftigen Westwindgürtels in Richtung Norden, so die These der Wissenschaftler, gerieten ausgedehnte Trockengebiete auf dem australischen Kontinent unter den Einfluss starker Winderosion. Hohe Staubeinträge in den Pazifik waren die Folge – mit den oben bereits geschilderten Konsequenzen. Dazu kam noch Neuseeland als zusätzliche Staubquelle. Die ausgedehnte Vergletscherung der dortigen Gebirge während der Eiszeit hat viel feinkörniges Material bereitgestellt, das durch die Winde weit in den Südpazifik geblasen wurde.
„Durch unsere Untersuchungen steht nun zweifelsfrei fest“, so das Fazit von Frank Lamy, „dass Kaltzeiten auf der Südhalbkugel über einen Zeitraum von einer Million Jahren immer und praktisch überall einhergingen mit niedrigeren Kohlendioxidgehalten in der Atmosphäre und höheren Staubeinträgen aus der Luft. Die Klimageschichte der Erde wurde also auch mit Staub geschrieben.“
Quelle: AWI