Klimawandel: Klima- Folgen der Zukunft erkennen
In Pionierarbeit haben global Gruppen von Wissenschaftlern gemeinsam umfassende Erkenntnisse zu den zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels gewonnen, von Wasserknappheit bis zu Ernterisiken. Über Fächergrenzen hinweg wurden umfangreich Computersimulationen verglichen, so genannte Modelle. Das ermöglicht es, einerseits Forschungslücken zu erkennen – und andererseits auch die wirklich belastbaren Ergebnisse zu indentifizieren. Dies bietet Entscheidungsträgern wichtige Informationen für das Abwägen von Maßnahmen für Klimaschutz oder Anpassung. Die Analyse wird in einem Sonderteil der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences erscheinen.
In der Veröffentlichung werden erste Ergebnisse des Inter-Sectoral Impact Model Intercomparison Project (ISI-MIP) versammelt.Dieses ist ein einzigartiger und von Wissenschaftlern weltweit getragener Versuch, die Forschung zu den Folgen des Klimawandels auf eine neue Ebene zu bringen.
„Es ist ein Elefant im Zimmer: gegenwärtige und zukünftige Klimaänderungen. Merkwürdigerweise scheinen aber viele ihn nicht zu sehen“, sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und einer der Autoren des Editorials und weiterer Artikel der Sonderausgabe. „Viele Entscheidungsträger ziehen es vor, sich gegenüber den Auswirkungen der globalen Erwärmung blind zu stellen, während viele Wissenschaftler ihren Blick nur auf sehr spezielle Aspekte des Klimawandels fokussieren. So ähneln wir den Blinden aus der Fabel, die unterschiedliche Teile des gleichen Elefanten berühren: beim Ergreifen des Rüssels ist einer von ihnen davon überzeugt, eine Schlange in der Hand zu halten, ein anderer hält den Schwanz für ein Seil. Um das Tier wirklich zu erkennen, müssen sie miteinander reden, um die unterschiedlichen Teile zu identifizieren und zusammen zu setzen. Dies ist genau das, was in diesem internationalen Projekt passiert.“
Mehr als 30 Forschungsteams aus 12 Ländern haben systematisch modernste Computersimulationen zu Klimaänderungen über die unterschiedlichen Sektoren hinweg miteinander verglichen. Das Projekt basiert auf früheren Vergleichen in den einzelnen Bereichen Landwirtschaft, Hydrologie und Ökosystemforschung. Der nun breitere Ansatz erlaubt es, zum Bespiel regionale Brennpunkte zu bestimmen – den Amazonas, das Mittelmeer und Ostafrika –, wo verschiedene Folgen des Klimawandels zusammentreffen und möglicherweise einander beeinflussen. Darüber hinaus dienen Modellvergleiche dazu, die Unterschiede zwischen den Computersimulationen besser zu verstehen. Projektionen zu den Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise zum Beispiel fallen unterschiedlich aus, je nachdem welche Annahmen zur Intensivierung des Landmanagements oder zu Änderungen im internationalen Handel in die Modelle einfließen. Die Wirkung dieser Stellschrauben zu verstehen könnte dazu beitragen, Optionen für eine effektive Politik in der realen Welt zu entwickeln.
„Die Ergebnisse lassen klar erkennen, dass sich die Risiken für Natur und Gesellschaft deutlich erhöhen mit jedem Grad, um das wir unseren Planeten erwärmen“, sagt Katja Frieler aus dem Koordinationsteam des ISI-MIP am PIK. Die ersten Ergebnisse des Projekts fließen ein in den IPCC-Bericht zu den Auswirkungen des Klimawandels, der im März 2014 vorgestellt wird.
Eines der Kernelemente von ISI-MIP ist ein öffentliches Datenarchiv, in welchem sowohl die Ergebnisdaten als auch die Eingangsdaten für die weitere Forschung und zur Förderung maximaler Transparenz zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist insbesondere, die Qualität der Computermodelle zu den Klimafolgen weiter zu verbessern. Nach Veröffentlichung erster Ergebnisse tritt das Projekt jetzt in seine zweite Phase, in der zum Beispiel die Auswirkungen des Klimawandels auf die Energiewirtschaft und die weltweite Fischerei untersucht werden, und bei der Modelle einbezogen werden, die bestimmte Regionen genauer untersuchen.
„Das Bild der Auswirkungen des Klimawandels ist weit davon entfernt, vollständig zu sein“, sagt Pavel Kabat, Direktor des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) und Mitautor zahlreicher Beiträge der Sonderausgabe sowie Ko-Herausgeber. „Die Kosten des Klimawandels für den Menschen werden oft durch dessen biophysikalische Auswirkungen ausgelöst, sind aber mit den Auswirkungen als solche nicht einfach gleichzusetzen. Wasserknappheit könnte in einigen Regionen beispielsweise zu Konflikten beitragen und Migration im großen Maßstab verursachen. Wir haben bereits heute genug sicheres Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels, um zu erkennen, dass es höchste Zeit zum Handeln ist. Aber als Wissenschaftler arbeiten wir intensiv daran, das vorhandene Wissen weiter zu festigen, um den Elefanten im Raum besser zu erkennen – und wie gefährlich das gewaltige Tier wirklich ist.“
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung