Bernstein liefert neue Ergebnisse über den Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre vor Millionen Jahren
Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Innsbrucker Leitung rekonstruierte anhand von Pflanzenharzen die Zusammensetzung der Erdatmosphäre der letzten 220 Millionen Jahre. Die Ergebnisse zeigen, dass der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre über weite Strecken der Erdgeschichte wesentlich niedriger war als bisher angenommen. Gängige Theorien rund um die Entwicklung des Klimas und des Lebens wie etwa der Größenwuchs der Dinosaurier könnten dadurch in Frage gestellt werden.
Eine viele Millionen Jahre zurückreichende Rekonstruktion der Zusammensetzung der Erdatmosphäre stellt die Wissenschaft aufgrund meist fehlenden Probenmateriales vor große Herausforderungen. Zu den wenigen Materialien, die über geologisch lange Zeiträume hinweg zuverlässige Daten hinsichtlich der Erdgeschichte konservieren können, zählen fossile Harze wie Bernsteine. „Gegenüber anderen organischen Materialien haben Bernsteine den großen Vorteil, dass sie chemisch und isotopisch nahezu unverändert erhalten bleiben“, erklärt Ralf Tappert vom Institut für Mineralogie und Petrographie der Universität Innsbruck. Der Mineraloge erstellte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Kanada, den USA und Spanien eine umfassende Studie zur chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre seit dem Erdzeitalter der Trias, die nun in der Fachzeitschrift „Geochimica et Cosmochimica Acta“ veröffentlicht wurde. Dabei machte sich das interdisziplinäre Forschungsteam bestehend aus Mineralogen, Paläontolgen und Geochemikern die durch Polymerisation bedingten konservierenden Eigenschaften der Pflanzenharze zu Nutze. „Pflanzen binden im Zuge der Photosynthese atmosphärischen Kohlenstoff, der in seiner isotopischen Zusammensetzung über Millionen von Jahren in den Harzen erhalten bleibt und uns somit Rückschlüsse auf den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre ermöglicht“, erklärt Ralf Tappert. Die Informationen über die Sauerstoffkonzentration basieren auf der isotopischen Zusammensetzung des Kohlenstoffes, genauer gesagt auf dem Verhältnis zwischen den beiden stabilen Kohlenstoffisotopen 12C und 13C, so die Studie.
Sauerstoffkonzentration zwischen 10 und 15 Prozent
Das Forschungsteam analysierte insgesamt 538 Proben von Bernsteinen aus allen wichtigen Vorkommen weltweit, wobei die ältesten Proben etwa 220 Millionen Jahre alt sind und aus den Dolomiten in Italien stammen. Um größere Datensicherheit zu erlangen, verglich das Team die viele Millionen Jahre alten Bernsteine zusätzlich mit einer großen Anzahl an modernen Harzen. Die Ergebnisse dieser umfassenden Studie deuten darauf hin, dass der Sauerstoffgehalt während der letzten 220 Millionen Jahre deutlich unter den heutigen 21 Prozent lag. „Unsere Untersuchungen ergaben Werte zwischen 10 und 15 Prozent“, sagt Tappert. Diese Sauerstoffkonzentration ist somit laut Studie nicht nur niedriger als heute, sondern auch wesentlich geringer als sie im Großteil anderer facheinschlägiger Untersuchungen für den angesprochenen Zeitraum bisher angegeben wurde. Für die Kreidezeit (vor 65 bis 145 Millionen Jahren) beispielsweise wurden bisher Sauerstoffwerte von bis zu 30 Prozent angenommen.
Rückschlüsse auf Klima und Umwelt
Die Forscherinnen und Forscher sehen diese geringen Sauerstoffkonzentrationen auch in Verbindung zu klimatischen Entwicklungen in der Erdgeschichte. „Wir konnten feststellen, dass besonders niedrige Sauerstoffwerte an Intervalle mit hohen Temperaturen und damit hohen CO2-Konzentrationen gebunden zu sein scheinen“, erklärt Tappert. Der Mineraloge geht davon aus, dass Sauerstoff Einfluss auf den Gehalt von Kohlendioxid haben kann bzw. dessen Eintrag in die Atmosphäre unter bestimmten Umständen sogar noch ankurbelt. „Im Grunde haben wir es hier mit einfachen Oxidationsreaktionen zu tun, die insbesondere in Phasen hoher Temperaturen, wie es etwa in der Kreidezeit der Fall war, verstärkt werden“. Dieser beispielsweise durch starken Vulkanismus verursachte hohe CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre wurde von einer Abnahme der Sauerstoffkonzentration begleitet. Besonders anschaulich wird dies bei Betrachtung der letzten 50 Millionen Jahre der Erdgeschichte. Die vergleichsweise niedrigen Temperaturen in der jüngeren Vergangenheit (d.h. in den Eiszeiten) können somit auf ein Ausbleiben von großmaßstabmäßigen Vulkanismus und einer Zunahme der O2-Werte zurückgeführt werden.
Sauerstoff nicht Ursache für Gigantismus
Sauerstoff kann den Ergebnissen der Untersuchungen zufolge durchaus einen indirekten Einfluss auf das Klima haben. Diese Umstände bleiben aber natürlich auch auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde nicht ohne Auswirkungen, als „berühmtes“ Beispiel können hier die Dinosaurier genannt werden. Viele Theorien zum Gigantismus der Tiere fanden eine Erklärung in den angeblich hohen Sauerstoffgehalten der Erdatmosphäre. Diese These betrachtet Tappert als widerlegt: „Der Einfluss des Sauerstoffes auf die Entwicklungsgeschichte des Lebens soll durch unsere Studie nicht geschmälert werden, aber der extreme Größenwuchs von Dinosauriern kann dadurch jedenfalls nicht erklärt werden“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plädieren hier für weitere Untersuchungen und streben die Analyse noch älterer Pflanzenharze an.
Quelle: Universität Innsbruck