Notfallplan in Pflanzenzellen
Max-Planck-Wissenschaftler decken ausgeklügeltes Abwehrsystem in Pflanzen auf
Um sich des Angriffs von Pilzen, Bakterien oder Viren zu erwehren, besitzen Pflanzen so genannte Muster-Erkennungs-Sensoren auf der Oberfläche ihrer Zellen. Diese leiten sofort nach dem Andocken und Erkennen von mikrobiellen Bestandteilen eine erste Immunreaktion ein (basale Abwehr). Hochspezifische Resistenz-Proteine im Zellinneren erkennen genau, welcher Parasit angreift, und bekämpfen ihn gezielt mit einer massiven Immunantwort, die in der Regel den Zelltod der angegriffenen Pflanzenzellen zur Folge hat. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung die spektakuläre Entdeckung gemacht, dass beide Formen der Immunreaktion direkt miteinander verknüpft sind. In der neuen aktuellen Ausgabe von Science beschreiben sie, wie der hochspezifische Immunsensor MLA 10 die basale Abwehr verstärkt und damit den Angreifer tötet (Science, online-Ausgabe vom 21.12.2006).
Das pflanzliche Immunsystem ist hoch entwickelt und erkennt potenzielle mikrobielle Angreifer wie zum Beispiel Pilze, Bakterien oder Viren schon beim ersten Kontakt. Dabei muss die Pflanze, wie übrigens auch Mensch und Tier, zwischen Eigen- und Fremdproteinen unterscheiden können. Zwei Klassen von Immunsensoren werden dazu von Pflanzen eingesetzt: Die so genannten Muster-Erkennungs-Sensoren (PAMP-Sensoren) auf der Oberfläche von Pflanzenzellen fungieren als eine Art Breitband-Sensoren, die die Produktion von Abwehrstoffen einleiten. Die zweite Klasse der Immunsensoren sind hochspezifische Resistenz-Proteine im Zellinneren, die genau erkennen, welcher Parasit angreift, und ihn gezielt bekämpfen, was in der Regel zum Tod der infizierten Pflanzenzellen führt.
In ihren Experimenten infizierten Forscher des Kölner Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung um Paul Schulze-Lefert Pflanzen mit Mehltaupilzen. Sofort meldeten die PAMP-Sensoren an der Zelloberfläche, dass sich die Pflanze in Gefahr befindet. Im Zellkern wurden daraufhin mehrere Proteine aktiviert und die entsprechende Maschinerie zur Produktion von Abwehrstoffen angeworfen. Damit sich die Zelle nicht selbst durch die Überproduktion von Abwehrstoffen schädigt und um eine chronische Immunantwort zu verhindern, wird die Produktion durch Regulatorproteine normalerweise gedrosselt und zeitlich begrenzt.
„Genau an dieser Stelle greift der spezifische Abwehrmechanismus mit dem MLA-Resistenzprotein in die basale Abwehr ein“, erklärt Paul Schulze-Lefert. Angegriffene Pflanzenzellen erkennen durch den MLA Immunsensor im Zellinneren, dass die Pflanze in Lebensgefahr schwebt, der „Notfallplan“ wird aktiviert, indem genau diese Drosselung der Produktion von Abwehrstoffen ausser Kraft gesetzt wird. Dabei tritt der aktivierte MLA-Immunsensors im Zellkern in direkten Kontakt mit den Regulatorproteinen der basalen Abwehr. Das hat eine massive Verstärkung der ursprünglich von den PAMP-Sensoren eingeleiteten Immunantwort zur Folge und führt nun rasch zum Tod der angegriffenen Pflanzenzellen, wodurch dem Parasiten, in diesem Fall dem Mehltaupilz, die Nährstoffversorgung entzogen wird.
Die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher sind nicht nur für Pflanzenforscher interessant, sie liefern möglicherweise auch unmittelbar Einblicke in die Funktionsweise des angeborenen tierischen Immunsystems: „Obwohl sich das pflanzliche Immunsystem parallel zum tierischen entwickelt hat, gibt es strukturell verwandte Immunsensoren im Zellinneren von Tier und Mensch“, sagt Schulze-Lefert. Denn die Zahl der Strukturmodule, aus denen die Natur Immunsensoren zusammensetzen kann, ist begrenzt. „Es würde mich daher nicht überraschen, wenn Wirkort und Funktionsweise der MLA-Sensoren im Zellkern von Pflanzen in ähnlicher Form auch Grundlage des Wirkmechanismus der strukturell verwandten Immunsensoren des angeborenen Immunsystems bei Tier und Mensch sind“, so der Pflanzenforscher.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft