Dromedare als Übertragungs- Quelle für gefährliche MERS-Coronavirus Infektion unter Verdacht
Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Universitätsklinikums Bonn hat in Dromedaren Antikörper gegen das MERS-Coronavirus gefunden. Der Erreger ist mit dem SARS-Virus verwandt und kann beim Menschen lebensgefährliche Atemwegsinfektionen hervorrufen. Im Mittleren Osten sind bislang 46 Menschen an der Erkrankung gestorben. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung findet nur selten statt. Andere Infektionsquellen wurden bisher aber nicht gefunden. Die neuen Erkenntnisse zeigen nun, dass möglicherweise Dromedare an der Virusübertragung beteiligt sind. Die Studie erscheint in der Zeitschrift The Lancet Infectious Diseases.
Das MERS-Coronavirus wurde erstmals 2012 in Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Das Kürzel steht für „Middle East Respiratory Syndrom“, da alle bisherigen Fälle einen Bezug zum Mittleren Osten hatten. Bislang wurden der Weltgesundheitsorganisation WHO 91 Erkrankungen gemeldet, 46 davon mit tödlichem Ausgang. Die Dunkelziffer ist aber vermutlich höher: Experten gehen davon aus, dass es eine Vielzahl unentdeckter Fälle gibt und mehr als 1.000 Menschen betroffen sein könnten.
Über die Ansteckungswege herrscht noch Unklarheit. Die neue Studie deutet nun jedoch auf Dromedare als mögliche Übertragungsquelle hin: Die Virologen haben insgesamt 50 Proben dieser Tiere aus verschiedenen Herkunftsgebieten im Oman getestet. Das Sultanat gilt als MERS-Risikogebiet, auch wenn hier bislang noch keine menschlichen Infektionen nachgewiesen wurden.
Bei ihren Analysen fanden die Wissenschaftler im Blut sämtlicher Tiere Antikörper gegen das MERS-Virus. Das Immunsystem bildet Antikörper, wenn es mit Krankheitserregern in Kontakt kommt. Die getesteten Dromedare scheinen also eine MERS-Virusinfektion durchlaufen zu haben. Die hohen Antikörperkonzentrationen sprechen zudem für eine relativ frische Ansteckung. Die Forscher konnten das Virus selbst nicht nachweisen. „Für unsere Tests standen größtenteils nur Blutproben zur Verfügung“, bedauert Dr. Marcel Müller vom Institut für Virologie der Universität Bonn. „Coronaviren befinden sich jedoch vor allem in Atemwegssekreten und im Kot.“
Die Forscher untersuchten auch 105 Dromedarproben von den Kanarischen Inseln. In 15 Fällen konnten sie dabei ebenfalls MERS-Antikörper nachweisen, allerdings in weit geringeren Konzentrationen. In 160 Blutproben von Rindern, Schafen und Ziegen aus den Niederlanden, Spanien und Chile wurden sie dagegen nicht fündig.
Enger Kontakt zwischen Dromedar und Mensch
Dromedare sind im Mittleren Osten weit verbreitet. Sie transportieren schwere Lasten und dienen als Milch- und Fleischlieferanten. In Wettbewerben eingesetzte Renn-Dromedare können zudem Millionenerlöse erzielen. MERS-infizierte Tiere könnten durch ihren engen Kontakt zum Menschen zumindest für einen Teil der menschlichen Erkrankungen verantwortlich sein. Es kommen aber weiterhin auch Ziegen und andere Nutztiere als Übertragungsquelle in Betracht.
Als eigentliches Virenreservoir vermuten die Wissenschaftler derzeit Fledermäuse. Die Dromedare seien mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Zwischenwirt. Bisherige Erbgutanalysen sprechen dafür, dass der MERS-Erreger nahe mit zahlreichen anderen Fledermausviren verwandt ist. Dass sich Menschen direkt bei Fledermäusen anstecken, hält Müller aber für unwahrscheinlich, da direkte Kontakte eher selten sind.
Relativ klein ist momentan auch das Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch. Die WHO schätzt den so genannten R0-Wert auf 1 oder geringer, d.h. ein Patient steckt im Schnitt maximal eine weitere Person an. Ein Schneeballeffekt mit einer explosionsartigen Zunahme von Krankheitsfällen kann so nicht entstehen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn der Erreger mutiert.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn