Globaltemperatur wird trotz gegenwärtiger Stagnation langfristig steigen
„Die Erdmitteltemperatur stagniert seit etwa 15 Jahren auf hohem Niveau. Trotzdem müssen wir die Geschichte des Klimawandels deshalb nicht neu schreiben.“ Das betont Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), auf der jährlichen Klima-Pressekonferenz der Bundesbehörde in Berlin. Zwar brachten auch die Jahre 2011 und 2012 weltweit keine neuen Temperaturrekorde – gehörten aber mit einem Plus der Jahresmitteltemperatur von knapp 0,5 Grad im Vergleich zur Referenzperiode 1961-1990 trotzdem zu den zwölf wärmsten Jahren seit 1880.
Auch in Deutschland lag die Mitteltemperatur im Jahr 2012 mit 9,1 Grad Celsius (°C) erneut deutlich über dem vieljährigen Mittel von 8,2 °C. Das Jahr 2012 war damit kein Rekordjahr, aber das 16. wärmste seit 1881. Nach Auswertungen des DWD waren 24 der vergangenen 30 Jahre in Deutschland zu warm. In diese drei Jahrzehnte fielen zugleich 9 der 10 wärmsten Jahre der inzwischen 132jährigen Zeitreihe des nationalen Wetterdienstes.
Natürliche Einflüsse überlagern zurzeit menschengemachten Klimawandel
Selbst einige Jahre ohne Rekorde oder auch einzelne auffällige Witterungsabschnitte – wie zum Beispiel ein zu kühler Winter – seien deshalb wenig geeignet, belastbare Aussagen über den Klimawandel zu machen. Die Frage der Klimaveränderung müsse langfristig betrachtet werden. Zugleich sei nicht zu erwarten, dass der Temperaturanstieg ebenso glatt verlaufe wie die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Denn das Klima unterliege vielen Einflüssen. Dazu gehören die Sonneneinstrahlung und Vulkanaktivitäten sowie eine große interne Variabilität des Klimas zum Beispiel aufgrund der regelmäßigen Änderungen der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifik durch El Nino und La Nina. Becker: „Alle diese Effekte überlagern, maskieren gewissermaßen den vom Menschen verursachten Klimawandel – an dem kein Zweifel besteht. Heute lässt sich deshalb noch nicht abschließend sagen, welche Einflüsse für unser Klima aktuell bestimmend sind. Aber wir sind überzeugt: Auf lange Sicht wird der menschliche Einfluss den stärksten Effekt haben und es somit zu einem weiteren Temperaturanstieg kommen.“
Temperaturen in Innenräumen werden immer mehr zur Belastung
Die Temperaturzunahme werde aber nicht nur auf den Außenbereich beschränkt bleiben, sondern auch Innenräume betreffen. Die Klimaforscher haben für den Oberrheingraben ermittelt, dass dort heute in einem durchschnittlichen Jahr von Mai bis September knapp 15 Prozent der mittleren nächtlichen Innenraumtemperaturen über 25°C liegen. Mitte des Jahrhunderts werden es schon 35 Prozent sein. Der DWD hat deshalb sein Hitzewarnsystem um die Vorhersage der nächtlichen Innenraumtemperaturen erweitert. Becker: „Wir werden diese neuen Hitzewarnungen erstmals in diesem Sommer herausgeben. Sie können unter www.dwd.de/newsletter kostenlos abonniert werden.“
Eine sich ändernde Bevölkerungsstruktur und die höhere Lebenserwartung ließen auch erwarten, dass Allergien im höheren Lebensalter zunehmend eine Belastung darstellen. Schon heute leiden zwischen 10 und 15 Prozent der Bevölkerung unter Pollenallergien. Qualitativ betrachtet sei bekannt, dass mit dem Klimawandel Pflanzen in Deutschland heimisch werden, die man hier bisher nicht kannte und die für die hiesigen Allergiker unangenehm werden können. Die Ambrosia ist das bekannteste Beispiel.
Allergiker werden mehr unter Pollen leiden
Wichtig sei aber auch herauszufinden, wie sich die Pollenaktivität mit steigenden Temperaturen quantitativ entwickelt. Der DWD habe sich dabei zunächst auf Birke und Gräser konzentriert. Diese weisen unter den hauptallergenen Pollenarten die höchste Sensibilisierungsrate sowie eine sehr hohe klinische Relevanz auf. Das Änderungssignal zeige bis zum Ende des Jahrhunderts bei der Birke eine Verfrühung des Blühbeginns um 13 Tage und bei den Gräsern um 8 Tage. Darüber hinaus sei es möglich, dass sich die Pollensaison der Birke um einige Tage verlängert. Becker: „Die schlechte Botschaft für Allergiker ist: Sie werden mit neuen Pollenarten kämpfen und mit einer insgesamt verlängerten Pollensaison leben müssen.“
Bereits diese wenigen genannten Aspekte zeigen nach Einschätzung des DWD gerade in der Zusammenschau, welche Brisanz die erwarteten Veränderungen für die Menschen in unserem Land haben können. Die Forschung müsse deshalb verstärkt das Zusammen- oder Entgegenwirken der Folgen des Klimawandels und der Prozesse des sozialen Wandels betrachten. Becker: „Solche interdisziplinären Ansätze müssen jetzt angepackt werden. Allerdings ist die Wissenschaft dabei auf politischen Rückenwind angewiesen.“
Quelle: DWD