Entdeckung bei Pulsaren: Extrem schnell wechselnde Strahlungszustände von Röntgen- und Radiowellen
Pulsare sind kompakte schnell rotierende Sterne von nur etwa 20 km Durchmesser (die Größe einer kleineren Stadt) mit einer Gesamtmasse, die ungefähr der Masse unserer Sonne entspricht. Sie haben ein starkes Magnetfeld, ungefähr eine Million mal stärker als alle Magnetfelder, die in irdischen Laboratorien künstlich erzeugt werden können. Ein Pulsar gibt seine Strahlung sehr stark gebündelt ab. Wenn der Strahlenkegel des Pulsars im Lauf seiner Rotation über die Erde streift, wird ein kurzdauernder Strahlungspuls beobachtet, ähnlich wie bei einem Leuchtturm. Einige Pulsare geben Strahlung über die gesamte Breite des elektromagnetischen Spektrums ab und können sowohl im Röntgen- als auch im Radiobereich beobachtet werden. Obwohl die ersten Pulsare bereits vor über 40 Jahren entdeckt wurden, ist der Mechanismus, mit dem sie ihre Strahlung abgeben, nach wie vor nicht genau bekannt.
Einem internationalen Forschungsteam geleitet von niederländischen Astronomen ist unter Mitarbeit einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn eine aufregende Entdeckung gelungen, bei der es um den Mechanismus geht, mit dem Pulsare ihre Strahlung aussenden. Die Abstrahlung von Röntgen- und Radiowellen bei diesen schnell rotierenden Neutronensternen kann sich nämlich dramatisch ändern, in Sekundenbruchteilen simultan bei beiden Frequenzen und in einer Weise, die mit gängigen Theorien bis jetzt noch nicht erklärt werden kann. Die Beobachtungen lassen auf schnelle Variationen der gesamten Magnetosphäre des Pulsars schließen.
Man weiß seit einiger Zeit, dass Pulsare im Radiobereich im Verhalten zwischen zwei (oder sogar mehr) unterschiedlichen Zuständen sehr schnell hin- und herspringen können, wobei sich sowohl die Form als auch die Intensität ihrer Radiopulse ändert. Der Zeitpunkt des Umspringens ist dabei nicht vorhersehbar und kann sehr plötzlich (oft sogar innerhalb einer einzelnen Pulsperiode) auftreten. Aus Daten von Satellitenteleskopen ist bekannt, dass eine Handvoll Radiopulsare auch bei Röntgenfrequenzen nachgewiesen werden können. Das Röntgensignal ist allerdings so schwach, dass bisher nichts über eine Variabilität im Röntgenbereich bekannt ist – könnte es sein, dass das Umspringen auch für die Röntgendaten gilt?
Der Moment des Umspringens
Die Wissenschaftler haben einen ganz bestimmten Pulsar mit der Bezeichnung PSR B0943+10 untersucht – einer der ersten entdeckten Pulsare überhaupt. Die Signale dieses Pulsars ändern alle paar Stunden ihre Form und Helligkeit, und diese Änderungen ereignen sich innerhalb von nur einer Sekunde. Es ist als ob der Pulsar zwei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten hätte. Da PSR B0943+10 einer der wenigen Pulsare ist, bei denen auch Röntgenstrahlung entdeckt wurde, sollte die Untersuchung des Röntgenverhaltens während der Änderung in der Radiostrahlung Aufschluss geben können über die Natur des Strahlungsprozesses in diesen Pulsaren.
Da der Pulsar nur schwache Röntgensignale aussendet, hat das Forschungsteam Beobachtungen mit dem empfindlichsten Röntgenteleskop überhaupt durchgeführt, nämlich mit dem von der europäischen Raumfahrtorganisation ESA finanzierten Röntgensatelliten XMM-Newton. Die Beobachtungen erfolgten über insgesamt sechs Intervalle von jeweils sechs Stunden. Um die genauen Zeiten der Änderung im Radioverhalten des Pulsars zu identifizieren, wurden gleichzeitig Beobachtungen mit den zwei weltweit empfindlichsten Radioteleskope für den Meter-Wellenlängenbereich durchgeführt, dem „Giant Meterwave Radio Telescope“ (GMRT) in Indien und dem europäischen „LOw Frequency ARay“ (LOFAR).
Zwei Zustände auch im Röntgenbereich
Es gab nun ein völlig überraschendes Ergebnis. Die Röntgensignale ändern in der Tat ihr Verhalten synchron mit den Radiosignalen, wie vielleicht auch im Vorfeld zu erwarten. Aber das Ganze geschieht antizyklisch – wenn die Radiopulse stark sind, ist die Röntgenstrahlung schwach. Und bei schwächerer Intensität der Pulse im Radiobereich wird das Röntgensignal entsprechend stärker. „Zu unserer großen Überraschung mussten wir feststellen, dass beim Rückgang der Radiohelligkeit der Signale auf die Hälfte ihre Röntgenhelligkeit auf das Doppelte anstieg“, sagt Wim Hermsen, der Leiter des Forschungsprojekts. Und nur dann tritt die Röntgenstrahlung auch in gepulster Form auf. Lucien Kuiper, der die Röntgendaten von XMM-Newton gründlich geprüft hat, zieht daraus den Schluss, dass ein nur zeitweise auftretender „Hotspot“ nahe am magnetischen Pol entsprechend den Zustandsänderungen in der Emission des Pulsars an- und ausgeschaltet wird.
Am meisten überrascht dabei, dass die Umwandlung des Erscheinungsbilds bei dem Pulsar innerhalb von Sekunden erfolgt, während er danach für einige Stunden stabil in dem neuen Zustand verharrt. „Warum der Pulsar nun diese dramatischen und nicht vorherberechenbaren Änderungen vollführt, können wir durch die bekannten Theorien nicht erklären“, sagt Aris Noutsos vom MPIfR, ein Mitglied der „Pulsar Working Group“. „Es spricht aber stark für sehr schnell stattfindende Änderungen in der gesamten Magnetosphäre des Pulsars.“
45 Jahre nach der Entdeckung der ersten Neutronensterne unterstützt das völlig unerwartete chamäleonhafte Verhalten des Radiopulsars PSR B0943+10 die Erforschung von grundlegenden physikalischen Prozessen unter derart extremen Bedingungen, wie sie in den Magnetosphären von Pulsaren auftreten.
Wim Hermsen und seine Kollegen haben zusätzliche Beobachtungszeit mit dem Röntgensatelliten XMM-Newton erhalten. Durch die Kombination von Röntgenbeobachtungen mit Radiobeobachtungen mit einer Reihe von Radioteleskopen wie Westerbork, GMRT, Effelsberg und Jodrell Bank werden sie in der Lage sein, den Pulsar PSR B1822-09 mit ganz ähnlichen Eigenschaften auch simultan in Radio- und Röntgenwellenlängen zu studieren. Dieser Pulsar zeigt in Radiowellenlängen ebenfalls schnelle Übergänge („flips“) in einen anderen Zustand auf.
Das Forschungsteam
Das Forschungsteam wird angeführt von Wim Hermsen vom Niederländisches Institut für Weltraumforschung (SRON) & Universität Amsterdam (UvA) und seinen Kollegen Lucien Kuiper und Jelle de Plaa (SRON), Jason Hessels und Joeri van Leeuwen (ASTRON, UvA), Dipanjan Mitra (NCFRA-TIFR, Pune, Indien), Joanna Rankin (Universität Vermont, Burlington, VS), Ben Stappers (Universität Manchester, Großbritannien) und Geoffrey Wright (Universität Sussex, Großbritannien).
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie