Beide Eisschilde schwinden, allerdings unterschiedlich schnell
Wissenschaftler erfassen seit etwa zwei Jahrzehnten mithilfe von Satellitendaten das Abschmelzen der Eisschilde. Wie stark sich das Polareis in Grönland und der Antarktis in dieser Zeit genau verändert hat, war bislang strittig. Unterschiedliche Berechnungsmethoden lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Ein internationales Expertenteam, unter anderem von der Technischen Universität München, belegt nun mit den bisher genauesten Satelliten-Daten: Beide Eisschilde schwinden, allerdings unterschiedlich schnell.
Die Forscher zeigen, dass das Abschmelzen des Grönländischen und des Antarktischen Eisschildes den Meeresspiegel seit 1992 weltweit um 11,1 Millimeter anstiegen ließ. Etwa zwei Drittel des Verlustes wurden durch Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland verursacht, der Rest stammt aus der Antarktis. Die Studie erscheint am 30. November in der Zeitschrift Science.
In seinem Klimabericht 2007 ging der Weltklimarat IPCC bei der Entwicklung des Polareises noch von einer großen Bandbreite aus: Ob der Antarktis-Eisschild schrumpft oder wächst, war dabei unklar. Die nun vorgelegten Schätzungen sind dank einer größeren Anzahl an Satellitendaten deutlich genauer: Sie bestätigen, dass sowohl der Antarktische als auch der Grönländische Eisschild an Masse verlieren.
Der Eisschwund hat sich beschleunigt
Die Studie zeigt zudem, dass die Eisschilde insgesamt immer schneller abschmelzen: Grönland und die Antarktis verlieren heute mehr als dreimal so viel Eis wie in den 90er Jahren. Das entspricht einem jährlichen Anstieg der Meeresspiegel von heute 0,95 mm im Vergleich zu 0,27 mm in den 90er Jahren.
Zudem lässt sich eine unterschiedliche Dynamik bei den Veränderungen beider Polkappen beobachten: Aus den Satellitendaten geht hervor, dass sich der Rückgang des Eisschildes auf Grönland seit Mitte der 90er Jahre fast verfünffacht hat. Im Gegensatz dazu ist die negative Gesamtbilanz in der Antarktis relativ konstant, wobei dort regionale Veränderungen teilweise sehr groß ausfallen.
Was das Gravitationsfeld der Erde verrät
Einen Teil dieser Messergebnisse hat Dr. Martin Horwath vom Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie der Technischen Universität München beigetragen. Um die Veränderung der Eismassen exakt zu bestimmen, nutzt der Geodät Daten über die Änderung der Erdanziehung, die ein Satellitenpaar liefert. Denn die Bahn, auf denen sich die Satelliten bewegen, wird schon von kleinen Unterschieden im Gravitationsfeld der Erde verändert: Nehmen die Eismassen an den Polen im Laufe eines Jahres zu oder ab, äußert sich das in minimalen Bahnstörungen.
Das IMBIE-Projekt (Ice Sheet Mass Balance Inter-comparison Exercise) ist ein Gemeinschaftsprojekt von 47 Wissenschaftlern aus 26 Forschungsinstituten und wurde durch die Europäische Weltraumbehörde ESA und die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA gefördert.
Quelle: Technische Universität München