Im Nordpazifik neue Klimaarchive aufgefunden
Der Nordpazifik spielt eine wichtige Rolle für das globale Klima. Doch bisher sind die natürlichen dekadischen Klimaschwankungen in dieser Region weitgehend unerforscht, auch weil langzeitliche Messreihen und hochauflösende Klimaarchive fehlen. Meeresforschern des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und der Universität Toronto gelang mit einer neuen Methode erstmals eine jahrgenaue Rekonstruktion des Klimas aus Kalkalgen aus dem Aleutenbogen für die vergangenen 200 Jahre. Ihre Ergebnisse sind in der internationalen Fachzeitschrift Climate Dynamics erschienen.
Für die Entwicklung des Klimas sind die hohen Breiten von grosser Bedeutung. Änderungen wirken sich dort stärker aus als beispielsweise in den Tropen. Ausserdem ist bekannt, dass die Atmosphäre in diesen Breiten das Klima in anderen Erdregionen stark beeinflusst. Umso problematischer ist es, dass viele Klimaprozesse zum Beispiel natürliche Klimaschwankungen, die sich im Bereich von einem bis wenigen Jahrzehnten abspielen gerade im subarktischen Nordpazifik kaum erforscht sind. Das liegt unter anderem daran, dass verlässliche Messungen höchstens 100 Jahre zurückreichen, und natürliche Klimaarchive dort bisher nicht die nötige Auflösung haben, um kurzzeitige Klimaschwankungen in die Vergangenheit zurückverfolgen zu können. Einer Gruppe von Ozeanographen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und der Universität von Toronto (Kanada) unter Leitung von Dr. Steffen Hetzinger, Prof. Dr. Jochen Halfar sowie dem Meteorologen Dr. Noel Keenlyside ist es nun erstmals gelungen, das Klima im nordpazifischen Raum bis ins Jahr 1818 jahrgenau zu rekonstruieren. Wenn wir die Klimaschwankungen der Vergangenheit besser kennen, können wir auch das Klima der Zukunft genauer vorhersagen , betont Dr. Hetzinger vom IFM-GEOMAR. Er ist Erstautor einer Studie im internationalen Fachmagazin Climate Dynamics , in der die Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse vorstellt.
Für ihre Klimarekonstruktion nutzten die Wissenschaftler eine Rotalge, die in den Küstengewässern der Aleuten sehr verbreitet ist. Im Gegensatz zu frei im Wasser schwebenden Algen bildet die Art Clathromorphum nereostratum ein Kalkgerüst am Meeresboden. Ein Schnitt durch eine vom Meeresboden geborgene Algenprobe offenbart Jahresbänder ähnlich den Jahresringen von Bäumen. Allerdings wachsen diese Algen extrem langsam, so dass die gezielte Beprobung bestimmter Wachstumsjahre äusserst präzise geschehen muss , erklärt Dr. Hetzinger. Mit Hilfe von Spezialmikroskopen und einer sogenannten Elektronenstrahl-Mikrosonde haben die Wissenschaftler Variationen von Magnesium und Calcium in den Wachstumsbändern einer Algenprobe gemessen. Daraus können wir Rückschlüsse auf die Wassertemperaturen und damit auf das Klima der vergangenen 200 Jahre ziehen , erklärt Dr. Hetzinger.
Mit der neuen Methode konnten die Wissenschaftler erstmals eine angenommene Verbindung zwischen Klimaschwankungen im nordpazifischen und im nordatlantischen Raum auf dekadischen Zeitskalen anhand von Messergebnissen nachweisen. Unsere Daten aus dem Nordpazifik zeigen eine Verbindung zwischen Schwankungen des Aleutentiefs und der Nordatlantischen Oszillation , sagt Jennifer Mecking vom IFM-GEOMAR, die als Doktorandin intensiv an dem Projekt mitgearbeitet hat. Das Aleutentief hat dabei eine ähnliche Bedeutung für das Wetter- und Klimageschehen im Pazifik wie das Islandtief für den Atlantik. Die Nordatlantische Oszillation beschreibt die langzeitlichen Zirkulationsmuster im atlantischen Raum, die Schwankungen auf mehrjährigen Zeitskalen unterworfen sind.
In der kommenden Woche stellen die Forscher ihre Ergebnisse auch auf der Jahrestagung der American Geophysical Union in San Francisco vor. Parallel arbeiten sie daran, die Klimarekonstruktion für den Nordpazifik mit Hilfe von Clathromorphum nereostratum noch weiter in die Vergangenheit zu erweitern. Hoffentlich verstehen wir dann die Prozesse in dieser für das Klima so wichtigen Region besser , sagt Dr. Hetzinger.
Quelle: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel