Flugzeugsysteme in der Klimakammer
Wie lässt sich der Flugverkehr ökologisch verträglicher, ökonomischer und nachhaltiger gestalten? Ein neuer Prüfstand für das thermische Verhalten von Flugzeugsystemen die Thermal Test Bench soll demnächst das Fluglabor der Fraunhofer-Forscher in Holzkirchen erweitern. Ziel ist ein effi zientes Energiemanagement an Bord.
Abflug München, heiter, 10 Grad Celsius, Landung in Anchorage, Alaska, Schneetreiben, minus 15 Grad. Das Flugzeug steht über Nacht auf dem Rollfeld, morgens bei minus 25 Grad geht es weiter nach Dubai, sonnig, 32 Grad. Die Temperatur auf der Aussenhaut des Jets beträgt über 80 Grad. Die schnellen Temperaturwechsel sind eine Herausforderung für Technik und Werkstoffe. Wie kann man sicherstellen, dass die Bordgeräte unter allen Umständen funktionieren? Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Holzkirchen bei München nutzen derzeit ihr Fluglabor, um Antworten darauf zu finden. Eine zusätzliche Testeinrichtung die Thermal Test Bench soll dabei helfen, neue Systeme wie die Bordstromversorgung, Klimaanlagen und Beleuchtung für Flugzeuge zu entwickeln. Auf der Internationalen Pariser Luftfahrtschau SIAE vom 20. bis 26. Juni in Paris-Le Bourget wird das Projekt in Halle 1, Stand F319 vorgestellt.
»Die Thermal Test Bench besteht aus mehreren Teilen. Ihr Herzstück ist das Aircraft Calorimeter, das in die Niederdruckkammer in unserem Fluglabor integriert wird «, erläutert Projektleiter Dr.-Ing. Gunnar Grün vom IBP. »Damit simulieren wir Klimata, wie sie sowohl im Flugzeug als auch ausserhalb am Boden oder im Flug herrschen und untersuchen den Betrieb von Geräten. « Von den Tests erhoffen sich die Wissenschaftler zum einen grundsätzliche Aussagen über Einflüsse der Umgebungstemperatur auf das thermische Verhalten von Flugzeugsystemen. Zum anderen wollen sie das Zusammenspiel von Bauteilen, Materialien und Umgebungstemperatur beobachten, vor allem vor dem Hintergrund neuer elektrischer Flugzeugarchitekturen.
An drei Rumpfsektionen aus Metall und Faserverbundwerkstoffen eines Dassault-Business-Jets soll bei unterschiedlichen Bedingungen das Zusammenspiel von neuen elektrischen Systemen und Flugzeugteilen dargestellt werden. »Aus Platzgründen sind Grossteile der elektrischen Komponenten im Heck untergebracht, weitere Systeme befinden sich beim Cockpit «, sagt Grün. »Mit der Thermal Test Bench können wir zeigen, wie die Abwärme etwa der Beleuchtung, der Leistungselektronik oder des Inflight Entertainments auf die Umgebung im Flugzeuginneren wirkt und umgekehrt. « Daraus ziehen die Forscher Rückschlüsse, wie die Anordnung der Systeme sein soll und wie sich die Wärme sinnvoll abführen oder nutzen lässt. »Stellen Sie sich vor, sie wollen Ihren Laptop in der Sauna benutzen. Dieser muss Wärme abgeben, um zu funktionieren. Bei den hohen Temperaturen klappt dies nicht mehr mit dem eingebauten Lüfter, sondern Sie müssen andere Möglichkeiten finden, etwa über Wärmeleitung «, verdeutlicht der Spezialist. Die Testeinrichtung gehört zum Projekt »Clean Sky «, in dem neben dem IBP weitere europäische Unternehmen und Forschungseinrichtungen das Zusammenspiel thermischer und elektrischer Systeme untersuchen.
Um den Energiehaushalt von Flugzeugen umfassend beschreiben zu können, entsteht in Paris ein weiterer Clean-Sky-Prüfstand beim Partner Safran, einem Triebwerkhersteller: die Electrical Test Bench. »Derzeit haben wir in Flugzeugen eine Mischung aus elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Systemen, die umfangreiche Wartungs- und Reinigungsarbeiten benötigen. Dazu kommt: Einige der verwendeten Fluide schaden der Umwelt. Künftig sollen in Flugzeugen vermehrt elektrische Systeme eingesetzt werden, das spart Gewicht und damit Kerosin, zudem haben sie einen höheren Wirkungsgrad «, beschreibt Grün die Hintergründe des Projekts. Bevor es soweit ist, müssen Forscher noch viele offene Fragen klären. Zum Beispiel, ob das Stromnetz an Bord mit mehr elektrischen Verbrauchern stabil bleibt. »Wenn Sie zu Hause zehn Haartrockner über dieselbe Steckdose gleichzeitig einschalten, fliegt Ihnen auch die Sicherung raus «, erläutert Grün.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft