Dem Hautpilz auf der Spur
Viele Menschen leiden unter Infektionen durch Hautpilze. Zwei weit verbreitete prominente Erreger sind Arthroderma benhamiae und Trichophyton verrucosum. Die beiden Arten sind nah mit einander verwandt. Ihre genetische Information weist daher einen sehr hohen Grad an Übereinstimmung auf. Die Forscher (ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Axel Brakhage) identifizierten durch Entschlüsselung der genetischen Ausstattung beider Pilze eiweissspaltende Enzyme als mögliche Faktoren, die die Virulenz der Erreger mitbestimmen. Ausserdem fanden sie überraschenderweise eine Reihe von Genen, die für die Bildung niedermolekularer Naturstoffe verantwortlich sind. Sie könnten wichtige Funktionen im Krankheitsverlauf innehaben. Schliesslich gaben die Genomsequenzen beider Pilze Auskunft über deren Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung.
Beide Hautpilze, wissenschaftlich als Dermatophyten bezeichnet, bilden ein umfangreiches Set von Enzymen, die Eiweissmoleküle abbauen können. Viele dieser sogenannten Proteasen sind in der Lage, Keratin aufzulösen. Keratin ist ein wasserunlösliches und extrem beständiges Eiweiss. Es bildet einen Hauptbestandteil der Haut und besonders von Haaren und Nägeln bei Mensch und Tier. Durch Ausscheidung Keratin-abbauender Enzyme erschliessen sich Dermatophyten die Hautoberfläche als Nahrungsquelle: Sie können sich dort dauerhaft einnisten und mit bisher noch unbekannten Mechanismen das Immunsystem überlisten. Die Bildung Keratin-abbauender Enzyme durch die Erreger wurde vom Forscherteam auch experimentell nachgewiesen. Sie analysierten hierzu das Sekretom die Gesamtheit aller vom Pilz ausgeschiedenen Proteine. Dabei zeigte sich, dass in guter Übereinstimmung mit der genetischen Ausstattung eine Vielzahl von Proteasen tatsächlich nach aussen abgegeben wird. Durch gemeinsame Kultivierung von A. benhamiae mit menschlichen Hautzellen konnten die Forscher nachweisen, dass viele dieser Proteasen erst dann ausgeschieden werden, wenn geeignete Zellen des Wirtsorganismus vorhanden sind und ein Keratinabbau möglich ist. Diese Form der differentiellen Genexpression deutet nach Aussage von Prof. Brakhage sehr stark darauf hin, dass es sich bei den gefundenen Proteasen um Virulenzfaktoren der Dermatophyten handelt.
Erstaunlicherweise tragen beide Pilze tragen jeweils gut zwei Dutzend Gengruppen, die eine Beteiligung an der Synthese sogenannter sekundärer Naturstoffe vermuten lassen. Bisher hat man angenommen, dass Mikroorganismen, die in nährstoffreichen Habitaten wie der Haut leben, diese Fähigkeit nicht besitzen. Die Genomsequenz hat uns eines anderen belehrt , so Brakhage. Sekundäre Naturstoffe sind kleine Moleküle, die für den Produzenten nicht lebensnotwendig sind, jedoch wichtige Funktionen im Infektionsprozess haben könnten. Bis heute ist über die Bildung solcher Substanzen nahezu nichts bekannt. Zum Verständnis des Infektionsmechanismus und für die Entwicklung neuer Medikamente sind genauere Kenntnisse über die Bildung solcher Naturstoffe jedoch sehr wichtig. Die nunmehr vorliegenden Genomdaten öffnen damit die Tür für weitere Forschungsarbeiten auf dem Gebiet.
Dermatophyten der Gattungen Arthroderma oder Trichophyton sind vor allem bei Tieren weit verbreitet und können unter geeigneten Bedingungen leicht auf den Menschen übertragen werden. Ausgehend von einer Infektion einzelner Haarfollikel oder kleinster Verletzungen der Haut lösen sie beim Menschen entzündliche Hautinfekte aus, die dem Formenkreis Tinea zugeordnet werden. Durch Dermatophyten verursachte Erkrankungen Dermatomykosen sind zwar nicht lebensbedrohlich, aber schwer zu bekämpfen. Die oberen Hautschichten sowie Haare und Nägel bestehen aus abgestorbenen Zellen und werden vom Blutkreislauf nicht versorgt. Daher gelangen auf diesem Wege kaum Medikamente an die betroffenen Körperregionen. Weltweit leiden Millionen von Menschen an Dermatomykosen. Da die Erreger viele Gemeinsamkeiten mit menschlichen Zellen aufweisen, stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung, die den Pilz wirkungsvoll bekämpfen, das menschliche Gewebe jedoch unbeeinflusst lassen. Eine genauere Kenntnis der molekularen Vorgänge, die das Krankheitsgeschehen bestimmen, soll die Entwicklung neuer Therapieansätze ermöglichen.
Das ambitionierte Projekt wurde durch den Pakt für Forschung und Innovation gefördert und vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie Hans-Knöll-Institut in Jena koordiniert.
Quelle: Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI)