Pandemie-Vorbereitung: Intensiv- und Notfallmediziner rufen Kliniken zur Meldung von ARDS-Behandlungskapazitäten auf
Die Experten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sind sich einig: Nach den Ereignissen der vergangenen Tage lässt sich eine Pandemie mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2/COVID-19) nicht mehr ausschließen.
„In diesem Fall muss mit einem beträchtlichen Aufkommen intensivstationär zu versorgenden Patienten gerechnet werden, die das gesamte Behandlungsspektrum des akuten Lungenversagens erforderlich macht“, sagt Professor Christian Karagiannidis, Sprecher der DIVI-Sektion „Lunge – Respiratorisches Versagen“ sowie Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim.
Im Zuge der H1N1-Pandemie im Jahr 2009 haben DIVI-Experten ein deutschlandweites Netzwerk aufgebaut, in dem Kliniken ihre Behandlungskapazitäten für Patienten mit akutem Lungenversagen, auf Englisch „Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS)“, tagesaktuell anzeigen können. „Das ist wichtig, weil wir Betroffene so deutschlandweit viel schneller einer behandelnden Klinik zuweisen können“, sagt Professor Steffen Weber-Carstens, stellvertretender Sprecher der DIVI-Sektion „Lunge – Respiratorisches Versagen“ sowie Sprecher des ARDS-ECMO Centrums an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Aktuell sind rund 85 Kliniken in diesem ARDS-Netzwerk miteinander verbunden. Das Melderegister ist unter http://ardsnetzwerk.de/ards-melderegister erreichbar.
Unterstützung von Kliniken gewünscht: Retrospektive Auswertung der ARDS-Fälle
Die DIVI-Sektion strebt zudem eine retrospektive Auswertung der ARDS-Fälle an. „Wir würden uns über eine Dokumentation betroffener Patienten sehr freuen“, wünschen sich beide Experten. „Im Falle einer Pandemie würden wir nach deren Ende auf die entsprechenden Kliniken im ARDS-Netzwerk zukommen, um die weitere wissenschaftliche Aufbereitung zu besprechen.“
Mitarbeiter im Gesundheitswesen: Zu Ruhe und Besonnenheit aufrufen
Insgesamt sehen beide Experten die Intensivmedizin in Deutschland gut aufgestellt, auch wenn eine „Pandemie für die intensivmedizinischen Behandlungsteams eine große medizinische und logistische Herausforderung als auch psychische Belastung bedeuten wird“, prognostiziert Professor Steffen Weber-Carstens. „Neben den medizinischen Aspekten, die im Falle einer Pandemie auf uns zukommen, ist die psychologische Komponente bei einem punktuell nicht auszuschließenden Massenanfall von Patienten eine ganz wesentliche Herausforderung“, unterstreicht der Kölner Professor Christian Karagiannidis. „Deswegen ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter im Gesundheitswesen auch als Meinungsmultiplikatoren sehen und zu Ruhe und Besonnenheit aufrufen, statt sich von Hysterie und reißerischer Stimmungsmache treiben zu lassen.“
Quelle: Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V.