Algen: Multitalente aus dem Meer
Ein internationales Forscherteam um André Scheffel vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie und Damien Faivre vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm hat den Mechanismus der Kalkproduktion bei einer Gruppe von Meeresalgen untersucht. Die Algen beeinflussen unser Klima stark und deren fossile Überreste geben uns Aufschluss über die Umweltbedingungen der Vergangenheit. In der Studie entdeckten die Wissenschaftler eine bisher unbekannte zelluläre Komponente, welche die Speicherung von Umweltinformationen in den „Biokalk“ entscheidend beeinflussen könnte. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Nature Communications.
Algen sind wahre Multitalente. Gehören sie in vielen ostasiatischen Ländern schon lange zu den Grundnahrungsmitteln, haben sie darüber hinaus noch viel mehr zu bieten. Algen sind eine faszinierende, sehr anpassungsfähige Lebensform, die nahezu überall vorkommt, wo es feucht ist – im Meer, in Seen, sogar in Pfützen oder auch im Schnee. Die ca. 40.000 bekannten Arten übernehmen eine tragende Rolle im natürlichen biologischen Gleichgewicht und sind sowohl für die Umwelt, aber eben auch für den Menschen unentbehrlich.
Die zum Phytoplankton zählende einzellige Meeresalge Emiliania huxleyi umhüllt sich mit einem Panzer aus Kalkplättchen, Schalen oder Stäbchen, auch Coccolithen genannt. Nach ihrem Ableben sinkt der Kalkpanzer auf den Meeresgrund und bildeten über Millionen von Jahren dicke Sedimentschichten. Diese können dann zum Teil an der Erdoberfläche als Kreidefelsen wahrgenommen werden. Die chemische Zusammensetzung dieser Kalksedimente gibt Auskunft über Klima und Umwelt der Vergangenheit, da auch Spurenelemente aus der Umgebung in die Kalkpartikel eingebaut werden. Kalkalgen gehören somit ebenso zu den sogenannten Zeigerorganismen, wie Plankton und andere Algen oder Muscheln, die man zur Analyse von Wasserqualitäten und Umweltbedingungen heranziehen kann.
Bisher weitgehend unverstanden ist jedoch der Mineralbildungsprozess in Kalkalgen. Ein internationales Wissenschaftlerteam um André Scheffel vom MPIMP und Damien Faivre vom MPIKG hat jetzt, die Kalkbildungsprozesse in der dominanten Meeresalge Emiliana huxleyi untersucht. Diese einzellige Alge bildet im Inneren der Zelle Kalkschuppen, die nach ihrer Fertigstellung nach außen geschleust werden und einen Panzer um die Zelle bilden. Die Bildung jeder einzelnen Schuppe erfolgt in einem spezialisierten Membrankompartiment, dem sogenannten Coccolithvesikel.
Mit Hilfe mikroskopischer und spektroskopischer Verfahren gelang es den Forschern nun eine weitere, bisher unbekannte Struktur innerhalb der Algenzelle zu identifizieren. Sie entdeckten ein Calcium-Reservoir, welches die Bildung der Coccolithen speist. In diesem Speicherkompartiment finden sich außerdem weitere Elemente, die die Speicherkapazität des Reservoirs erhöhen und verhindern, dass sich bereits dort Kalk bildet.
„Die Entdeckung dieser neuen Komponente im Calcium-Stoffwechsel der Alge Emiliania huxleyi eröffnet neue Möglichkeiten die Coccolith-Bildung zu analysieren und den Einbau von Spurenelementen zu verstehen“, erklärt Sanja Sviben, Erst-Autorin der Studie. Auf diesem Weg könnte es möglich werden, den Coccolith-Aufbau mit der Chemie des Seewassers in Zusammenhang zu bringen und somit die Wirkungsweise von Umwelteinflüsse auf den Kalkbildungsprozess zu verstehen.
Dadurch wird es nicht mehr nur möglich vergangene Umweltbedingungen zu rekonstruieren, sondern auch Modelle zu entwickeln, die den Einfluss von Klimaveränderungen vorhersagen. „Unsere Ergebnisse könnten aufklären, wie die Kalkbildung zum Beispiel durch Ozeanversauerung beeinflusst wird und wie sich dieser Prozess an zukünftige Bedingungen anpassen kann“, beschreibt André Scheffel. Dies ist besonders entscheidend, da Meeresalgen einen wichtigen Einfluss auf den Kohlendioxid-Kreislauf der Erde haben. Sie binden jährlich mehrere Milliarden Tonnen Kohlenstoff und entfernen diesen somit auf Dauer aus der Atmosphäre, da er mit ihnen im Meeressediment festgesetzt wird. Klimaveränderungen könnten diesen Prozess zukünftig stören.
Quelle: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie