Überraschendes Forschungsergebnis zum Treibhausgasausstoss
In den arktischen Permafrostgebieten haben die sogenannten Thermokarst-Seen seit der letzten Eiszeit der Atmosphäre mehr Treibhausgase entzogen, als sie zuvor bei ihrer Entstehung ausgestoßen hatten. Dieses überraschende Forschungsergebnis präsentiert ein internationales Wissenschaftlerteam aktuell in einer Online-Veröffentlichung des Fachmagazins Nature. Die Forscher hatten bis zu 10.000 Jahre alte Bodenablagerungen aus nordsibirischen Seen untersucht und erstmals die Kohlenstoff-Gesamtbilanz für mehrere hunderttausend Gewässer berechnet. Ihr Fazit: Die durch die Klimaerwärmung nach der letzten Eiszeit entstandenen Tauwasser-Seen emittierten zwar kurzfristig große Mengen Methan. Auf lange Sicht aber kühlten sie das Klima der Arktis, indem sie 1,6-mal mehr Kohlenstoff aufnahmen und speicherten als sie zuvor abgegeben hatten. Eine wärmer werdende Arktis könnte diesen Prozess jedoch innerhalb kurzer Zeit wieder umkehren.
In der Arktis gibt es heutzutage mehrere Millionen Thermokarst-Seen. Die meisten dieser flachen Gewässer entstanden vor rund 10000 Jahren, als der Dauerfrostboden (Permafrost) nach der letzten Eiszeit innerhalb weniger Jahrzehnte auftaute. Infolgedessen sackte der Untergrund damals in sich zusammen und bildete Senken, in denen sich anschließend Tau- und Regenwasser sammelte. Die so entstandenen Seen verstärkten das Auftauen des Permafrostbodens bis in große Tiefen.
Ein Prozess mit direkten Auswirkungen auf das Klima in der Arktis: „Wenn der Permafrost taut und ein solcher See entsteht, zersetzen die am Grund und im Sediment lebenden Mikroben einen Teil jener Pflanzenreste, die zuvor im gefrorenen Boden eingeschlossen waren. Dabei produzieren sie das Treibhausgas Methan, was uns Forscher bisher zu der Annahme verleitete, die Seen würden mit ihren Emissionen die globale Erwärmung beständig verstärken“, sagt Dr. Guido Grosse, Permafrostforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Co-Autor der neuen Studie.
Wie die Wissenschaftler jetzt wissen, stimmt diese Annahme jedoch nur in Teilen: „Wir haben die Ablagerungen in den 10000 Jahre alten Thermokarst-Seen untersucht und herausgefunden, dass diese Gewässer nur in der ersten Hälfte dieses Zeitraumes große Mengen Methan ausgestoßen haben“, sagt die Erstautorin Katey Walter Anthony von der University of Alaska Fairbanks. Vor 5000 Jahren habe sich die Kohlenstoffbilanz der Seen dann umgekehrt – ausgelöst durch eine natürliche Kettenreaktion.
Dieser Effekt aber wirkt nur so lange, wie die Bodenschichten vereist bleiben. Eine immer wärmer werdende Arktis könnte den Prozess innerhalb kurzer Zeit wieder umkehren. Guido Grosse: „Unseren Schätzungen zufolge speichern die arktischen Thermokarst-Seen und -becken etwa 160 Petagramm Kohlenstoff. Das ist in etwa vergleichbar mit der Speicherkapazität der tropischen Regenwälder, die mit 212 Petagramm angegeben wird. Wir wissen außerdem, dass die Luft- und Bodentemperaturen in der Arktis derzeit steigen und der Permafrost schon in mehreren Regionen auftaut. Die große Frage lautet jetzt: Was passiert mit diesen großen Kohlenstoffablagerungen in naher Zukunft?“
Eine Antwort darauf will er mit seiner ERC Nachwuchsforschungsgruppe PETA-CARB finden, welche im Oktober 2013 ihre Arbeit am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam aufgenommen hat und auf den Erkenntnissen der aktuellen Studie aufbaut. „Mithilfe der neuen Ergebnisse können wir nicht nur die Rolle des Permafrostes im globalen Kohlenstoffkreislauf besser verstehen, sie helfen uns auch Computermodelle dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie die Rückkopplungen zwischen Permafrostveränderungen und dem Klimawandel besser vorhersagen. Vor allem die Prozesse des Thermokarst – darunter verstehen wir das schnelle Freisetzen und nun auch Speichern des Kohlenstoffes – werden von gängigen Modellen, wie jenen, die der Weltklimarat verwendet, bisher noch nicht berücksichtigt“, so Guido Grosse.
Quelle: AWI