In großen Auftriebsgebieten der Ozeane treten immer häufiger extrem sauerstoffarme Zonen auf
Vor der Küste Namibias in Afrika befindet sich eines der drei größten Auftriebsgebiete weltweit: der Benguelastrom. Hier fand in den letzten Jahrzehnten ein auffallender Wechsel in der Zusammensetzung der Artengemeinschaft statt. Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) untersuchen das Gebiet bereits seit vielen Jahren, um die Wandlungsprozesse besser zu verstehen.
Auftriebsgebiete sind biologisch außerordentlich produktive Regionen des Meeres, die für den Fischfang von außerordentlicher Bedeutung sind. Millionen Menschen werden dadurch mit tierischem Eiweiß versorgt.
Noch vor wenigen Jahren zogen riesige Schwärme von Sardinen und Sardellen durch das kalte und nährstoffreiche Wasser, das dort aus den Tiefen des Meeres an die Oberfläche aufsteigt. Als Tapas-Happen, Fischpaste oder Trockenfisch in Snacktüten sind diese Arten in vielen Ländern sehr beliebt. Bis zu 17 Millionen Tonnen Fisch wurden bis Mitte der 70er Jahre jährlich von Fangflotten aus Namibia und aller Welt in dem Gebiet gefangen. Dann brachen die Fangzahlen ein, und weniger hochwertige Arten bevölkerten das Ökosystem. Es waren vor allem die kleine Kap-Holzmakrele und Quallen, die zu 99% aus Wasser bestehen und kaum Nährwert haben.
Überfischung ist sicher ein wichtiger Grund für das Verschwinden der beiden Schwarmfischarten. Allerdings reguliert seit der Unabhängigkeit Namibias eine Fischereibehörde den Fischfang in den Hoheitsgewässern des Landes.
„Die meisten Fische haben eine sehr hohe Anzahl an Nachkommen, so dass wenige Exemplare in kurzer Zeit eine Population neu aufbauen können“, meint der Ökologe und ZMT-Mitarbeiter Andreas Kunzmann, der mit seiner Arbeitsgruppe im Benguela-Gebiet forscht. „Diese beiden Arten haben sich aber bisher nicht erholt.“
Solche Zonen sind in Auftriebsgebieten häufig. In diesen nährstoffreichen Meeresregionen tummelt sich eine Fülle an Lebewesen, die nur zum Teil als Beute in die Nahrungskette gelangen. Ein Großteil stirbt, ohne gefressen zu werden, und wird dann von Bakterien unter Zehrung von Sauerstoff zersetzt. Vor der westafrikanischen Küste dehnen diese Zonen sich jedoch aus.
„An den Stränden Namibias konnten wir beobachten, wie Krabben in Schwärmen fluchtartig das Meer verließen, da ihnen sozusagen die Luft ausging“, berichtet Kunzmann.
Wie aber kommen die Fische mit den lebenswidrigen Bedingungen zurecht? Kunzmann und seine Kollegen nahmen die Fischlarven ins Visier.
„Das sind die empfindlichen Entwicklungsstadien, die noch kaum gegen Strömungen anschwimmen und deshalb nicht aus den sauerstoffarmen Zonen flüchten können“, erklärt der Ökologe. Gemeinsam mit seinem Doktoranden, Simon Geist, untersuchte Kunzmann Larven von Holzmakrelen, Sardinen und Sardellen mit einem speziell am ZMT entwickelten Gerät, einem Respirometer, das den Sauerstoffverbrauch und die Aktivität misst. Dabei stellte sich heraus, dass die Jungstadien der Makrelen viel geringere Sauerstoffkonzentrationen in ihrer Umgebung benötigen. „Das ist eine Spezialität ihres Stoffwechsels, der Sauerstoff viel effizienter verarbeitet“, erläutert Kunzmann.
Das Küstenmeer vor Namibia zeigt eine Entwicklung, die auch für die großen Auftriebsgebiete vor Südamerika und Westaustralien erwartet werden kann. „Dort weiten sich die sauerstoffarmen Zonen ebenfalls aus. Wir vermuten einen Zusammenhang mit dem Klimawandel, der die Strömungsverhältnisse verändert“, meint Kunzmann. Leidtragender ist nicht nur der Mensch, sondern auch die großen Meeressäuger wie Wale und Delfine, große Räuberfische wie Haie, Lachs und Thunfisch und auch Meeresvögel – bei ihnen stehen die großen Sardinen- und Sardellenschwärme ganz oben auf dem Speiseplan.
Quelle: Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT)