Rekordwerte: Gletscher bewegt sich durchschnittlich 46 Meter pro Tag
Der Jakobshavn Isbrae gilt seit den 1990 er Jahren als der sich am schnellsten bewegende Gletscher Grönlands. Seine Geschwindigkeit ist nun drastisch gestiegen, mit Rekordwerten für 2012 und 2013 – so das Ergebnis von Wissenschaftlern der University of Washington und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Räumlich und zeitlich hochaufgelöste Daten der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X ermöglichten besonders präzise Berechnungen. Die neue Studie wurde am 3. Februar 2014 in „The Cryosphere“ veröffentlicht, einer Fachzeitschrift der European Geosciences Union (EGU).
„Wir beobachten Jakobshavn Isbrae bereits seit Mitte 2008 regelmäßig mit dem TerraSAR-X-Satellit. Es ist wirklich beeindruckend zu sehen, wie stark dieser Gletscher sich innerhalb kürzester Zeit verändert“, so Mitautorin Dr. Dana Floricioiu vom Institut für Methodik der Fernerkundung des DLR-Earth Observation Center in Oberpfaffenhofen.
Die Datenauswertung zeigt, dass die Fließgeschwindigkeiten des Jakobshavn Gletschers 2012 und 2013 im Jahresdurchschnitt fast dreimal höher sind als vor zwanzig Jahren. Während der Sommerperiode übertrifft sich der Gletscher hier um mehr als das Vierfache.
Die Höchstgeschwindigkeit maßen die Wissenschaftler im Sommer 2012:
17 Kilometer pro Jahr.
Dies entspricht einer Geschwindigkeit von mehr als 46 Meter pro Tag – ein Rekord für Ausflussgletscher nicht nur in Grönland, sondern auch in der Antarktis.
Gletscher schrumpft, Meeeresspiegel steigt
Die zunehmende Geschwindigkeit bedeutet auch einen zunehmenden Verlust der so genannten Gletschermächtigkeit. Das in den Ozean abgehende Volumen des Jakobshavn Isbrae ist bereits so beträchtlich, dass es die Meerespiegelhöhe beeinflusst: ein Anstieg von rund einem Millimeter in den Jahren 2000 bis 2010. Künftig wird Jacobshavn Isbrae den Meeresspiegel nun noch höher ansteigen lassen.
Gleichzeitig zeigen die Satellitendaten, dass sich in den Rekordjahren 2012 und 2013 auch die Gletscherzunge stärker ins Landesinnere zurückgezogen hat: über einen Kilometer mehr als in den Jahren zuvor. Nach Einschätzung der Experten könnte sich im Laufe dieses Jahrhunderts der Gletscher um weitere 50 Kilometer – bis zur Fjordspitze – zurückziehen.
Präzision dank Satellitendaten
Unabdingbar für die exakte Geschwindigkeitsbestimmung des Jakobshavn Isbrae waren Informationen der deutschen Erdbeobachtungsmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X. Das Earth Observation Center (EOC) des DLR stellte die Satellitendaten gezielt zur Verfügung und bereitete sie speziell auf.
„Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Zeitserie der Satellitenaufnahmen nicht unterbrochen wird und die Daten zuverlässig ausgeliefert werden. Die Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind wunderbare Werkzeuge für uns, um komplexe Eisstrukturen von wissenschaftlich hochinteressanten Arealen umfassend zu beobachten“, erklärt Floricioiu. „In den Satellitendaten werden Feinstrukturen der eis- und schneebedeckten Gebiete sehr genau wiedergegeben. Daraus lassen sich dann dynamische Vorgänge wie Fließbewegungen von Gletschern und Eisströmen detailliert analysieren“, ergänzt sie.
TerraSAR-X wurde zunächst so ausgerichtet, dass er in einem Abstand von elf Tagen über mehrere Jahre hinweg Aufnahmen liefert, die in einer Zeitserie stets denselben Bildausschnitt und Blickwinkel aufweisen. Zugleich verfügt sein Radarsensor über eine sehr hohe räumliche Auflösung von drei Metern. Mithilfe der TerraSAR-X Daten konnte das Forscherteam der University of Washington Veränderungen der Merkmale an der Gletscheroberfläche verfolgen und somit sehr genau die Fließgeschwindigkeit messen.
Diese Ergebnisse wurden in einem weiteren Schritt nochmals präzisiert: Anhand von TanDEM-X Radardaten erstellten DLR-Wissenschaftler digitale Höhenmodelle, 3D-Bilder der Gletscheroberfläche. Dadurch wurden Hebungen und Senkungen der Oberfläche erfasst – Eigenschaften, die die Geschwindigkeit des gesamten Gletschers beeinflussen.
Die Erdbeobachtungsdaten der Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X waren somit entscheidend für die genaue Bestimmung der Fließgeschwindigkeit des Jakobshavn Isbrae. Wie die jüngsten Ergebnisse zeigen, befindet sich der Gletscher in einem instabilen Zustand. Die Entwicklung des Gletschers, insbesondere in Hinblick auf die Erwärmung der Polregionen, wird daher auch künftig im Fokus der Forscher sein.
Quelle: DLR