Hochwasser: Wenn der Schwamm voll ist, ist er voll!
Hochwasser 2013. An Elbe und Donau bangen die Menschen. An etlichen Orten werden Rekord-Pegelstände gemessen. Dämme brechen, Dörfer und Stadtteile werden überflutet, die Bürgerinnen und Bürger evakuiert. Hauptursache dieser neuerlichen Naturkatastrophe sind massive Regenfälle in Teilen Europas. Und dennoch hätten die Schäden nicht so drastisch ausfallen müssen, sind sich Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jensen vom Forschungsinstitut Wasser und Umwelt und Prof. Dr.-Ing. Richard Herrmann vom Institut für Geotechnik der Universität Siegen sicher. „Nach 2002 ist die Politik zu schnell zur Normalität übergegangen“, meinen beide. „Nun sind viele Verantwortliche wieder überrascht.“ Jensen: „Dabei müsste es eine Gesellschaft schaffen, jeden Bürger gegen ein Ereignis zu schützen, das im statistischen Mittel einmal pro Jahrhundert auftritt.“ Vielen Bürgern selbst sei aber noch nicht einmal bewusst, dass sie in hochwassergefährdeten Gebieten lebten, so Jensen weiter.
Zweifelsohne ist das Thema Hochwasserschutz komplex. Herrmann: „Wir beschäftigen uns seit 15 Jahren mit der Thematik und haben auch schon viel erreicht.“ Mittlerweile sei bekannt, dass der ökologische Hochwasserschutz wie Polder nur begrenzte Wirkung habe. Jensen: „Das geht allenfalls um Zentimeter oder Dezimeter.“ Die riesigen Flächen zu akquirieren sei zeitraubend, nicht selten stünden sie gar nicht zur Verfügung. Herrmann: „Die Herausforderung für die Wissenschaft ist, ständig darauf zu drängen, die Sicherheit der Bürger zu erhöhen und neue Konzepte für sichere Deiche zu entwickeln.“ Heute sei es möglich, Deiche zu konzipieren, die durch- und überströmbar seien und massiven Beanspruchungen trotzten. Das Know-how ist da; an der Umsetzung mangelt es.
Ein weiterer Schwachpunkt ist die nationale wie auch internationale Zusammenarbeit in Sachen Hochwasserschutz. Jensen: „Wir müssen weg von kleinskaligen Betrachtungen und hin zu einer nationalen, wenn nicht gar internationalen Lösung des Problems.“ Und weiter: „Wir brauchen einen abgestimmten Hochwasserschutz von der Quelle bis zur Mündung.“ Dazu gehöre eine verbesserte frühzeitige Vorhersage, die auf Simulationen basiert, bei denen nicht nur der Hauptfluss, sondern auch die Nebenflüsse betrachtet werden – und das über Grenzen hinweg. Benötigt werden nach Ansicht der beiden Experten zudem die Rahmenbedingungen für eine Gesamtlösung in einem Einzugsgebiet. Nachgedacht werden müsse auch über Konzepte zur Umnutzung von Siedlungsräumen. Komme es hart auf hart, könne es notwendig sein, Teile einer Stadt zu fluten, um andere Teile zu retten. Jensen: „Die Wissenschaft muss so frei sein, das zu überlegen.“ Die Rückhaltung von Wasser durch entsprechende Maßnahmen helfe bei kleineren und mittleren Hochwassern, bei großen nicht. Die Wissenschaftler zur aktuellen Situation: „Das war eine Vb-Wetterlage in einem begrenzten Bereich mit Unmengen an Wasser. Wenn der Schwamm voll ist, ist er voll.“
Quelle: Universität Siegen