Satelliten Tandem GRACE liefert Daten – Kann der Anstieg des Meeresspiegels gebremst werden?
Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht insbesondere Inseln und Küsten. Eine Ursache für den Anstieg ist die globale Erwärmung, die Gletscher und Eisschilde schmelzen lässt und die Ozeane aufheizt, was zur Ausdehnung des Wassers führt. Weitgehend unklar war bislang jedoch, ob die Kontinente mit Flüssen, Seen, grundwasserführenden Bodenschichten und künstlichen Reservoirs zu den steigenden Pegeln beitragen. „In der Wissenschaft gibt es seit Jahren eine Kontroverse darüber, ob die Summe der Effekte an Land den Meeresspiegelanstieg verstärken oder bremsen“, sagt Prof. Dr. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Diese Effekte sind sehr unterschiedlich und teils auch gegenläufig: So kann sich der Niederschlag über dem Festland etwa durch Landnutzungsänderung oder Luftverschmutzung ändern, die Verbauung von Flussauen als Rückhalteräume oder die Entnahme von Grundwasser für die Bewässerung beschleunigt die Wassermassen. Umgekehrt bremst etwa der Bau von Staudämmen den Abfluss vom Land ins Meer.
Geodäten der Universität Bonn haben berechnet, inwieweit die Flüsse auf dem Festland zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen. Im Schnitt verringerte in den letzten acht Jahren der abnehmende Zufluss vom Land in die Weltmeere den Anstieg jährlich um 0,2 Millimeter – das sind etwa zehn Prozent des durchschnittlichen globalen Meeresspiegelanstiegs. Die Wissenschaftler geben mit Blick auf den Klimawandel jedoch keine Entwarnung. Die Ergebnisse werden nun im „Journal of Geophysical Research“ vorgestellt.
„Tom“ und „Jerry“ lieferten die Daten für die Berechnungen
Das Forscherteam um Prof. Kusche verwendete Daten des Satellitentandems „GRACE“ (Gravity Recovery And Climate Experiment), um die Summe der Abflüsse vom Festland ins Meer zu berechnen. Die beiden Satelliten mit den Spitznamen „Tom“ und „Jerry“ erfassen sehr präzise das Schwerefeld der Erde. Die Wissenschaftler nutzten, dass das Satellitenpaar jeden Messpunkt über der Erde mehrmals überfliegt. Dadurch erhielten sie zeitversetzte Messdaten und konnten damit Veränderungen im Schwerefeld der Erde beobachten. „Diese Schwerkraftänderungen sind auf Veränderungen der Wassermengen zurückzuführen“, berichtet Prof. Kusches Mitarbeiter Roelof Rietbroek. Wenn sich also ein großer Staudamm mit Wasser füllt oder der Meeresspiegel ansteigt, macht sich dies auch durch einen Anstieg der Schwerkraft an dieser Stelle bemerkbar. Zusätzlich wurden Radarhöhenmessungen der Weltmeere ausgewertet. Auf diese Weise konnten die Forscher die Wasserflüsse vom Festland ins Meer und den Pegelanstieg in den Ozeanen global erfassen.
Wasserspeicherung der Kontinente bremst Meeresspiegelanstieg
„Derjenige Teil des globalen Meeresspiegelanstiegs, der auf veränderten Niederschlägen über Land und Effekte des Menschen durch Entnahme von Grundwasser oder Bau von Talsperren beruht, ist negativ“, berichtet Prof. Kusche. Konkret: Im Schnitt der vergangenen acht Jahre verringerte sich der Beitrag des Festlandes zum Meeresspiegelanstieg jährlich um 0,2 Millimeter – das sind etwa zehn Prozent des durchschnittlichen globalen Meeresspiegelanstiegs. Also wird die Erhöhung der Pegel in den Ozeanen durch verringerte Wasserzuführung der Flüsse ins Meer leicht gebremst.
„Das bedeutet aber überhaupt keine Entwarnung: Es ist nur eine Momentaufnahme und erlaubt keine Rückschlüsse für die Zukunft“, sagt der Geodät der Universität Bonn. Zumal der Anstieg der Pegel in den Weltmeeren an verschiedenen Küsten auch sehr unterschiedlich erfolgt: Vor den Küsten von Südamerika und Westafrika steigt der Spiegel alleine aufgrund von Zuflüssen bis zu 0,9 Millimeter im Jahr, während er um Alaska und Australien bis zu 2 Millimeter im Jahr gebremst wird. Weltweit ist der Meeresspiegel in den letzten acht Jahren durchschnittlich um etwa zwei Millimeter im Jahr gestiegen, wenn man die Erwärmung und das Abschmelzen der Gletscher und Polkappen mitberücksichtigt. Wie sich die Abflüsse vom Festland ins Meer weiterentwickeln, hängt entscheidend davon ab, wie die Menschen die Wasservorräte an Land nutzen. So führen etwa Grundwasserentnahmen für die landwirtschaftliche Bewässerung zu einem stärkeren Abfluss ins Meer und verschärfen dadurch das Problem.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn