Eisbohrkern aus Grönland weist wesentlich höhere Temperaturwerte vor 120.000 Jahren auf als heute
Neue Erkenntnisse über die letzte Warmzeit in Grönland – vor allem über die Temperatur und die Dicke der Eisschicht – könnten als Vergleich dienen, wie sich das grönländische Eisschild in Zukunft entwickelt.
An den überraschenden Messungen sind auch Forschende der Universität Bern beteiligt.
Vor 120.000 bis 128.000 Jahren waren die Temperaturen in Nordgrönland um 5 bis 8 Grad Celsius höher als heute. Dennoch war die Dicke des Eisschilds nur wenig geringer als heute – und dies obwohl der Meeresspiegel zu dieser Zeit 4 bis 8 Meter höher war. Die neuen Eiskern-Daten deuten darauf hin, dass das grönländische Eisschild für weniger als die Hälfte des damaligen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich war.
«Diese Warmzeit – die sogenannte Eem-Periode – könnte als Beispiel dafür dienen, wie sich das grönländische Eisschild in der Zukunft entwickeln wird», sagt Prof. Hubertus Fischer, Klimaforscher der Abteilung Klima- und Umweltphysik des Physikalischen Instituts der Universität Bern. «In einer Zukunft, in der durch den Einfluss des Menschen die Treibhausgaskonzentrationen und die Temperaturen immer weiter ansteigen werden».
Die Berner Klimaphysiker sind am internationalen «North Greenland Eemian Ice Drilling» (NEEM)-Projekt beteiligt, das von der Universität Kopenhagen geleitet wird. Die Ergebnisse wurden nun im Journal «Nature» veröffentlicht.
Hoher Meeresspiegelanstieg in der Warmzeit
«Ein so dickes grönländisches Eisschild in einer Zeit mit so hohen Temperaturen ist zwar erstaunlich», sagt Fischer, «aber kein Grund sich entspannt zurückzulehnen und abzuwarten, was die menschgemachte globale Erwärmung bringen wird». Tatsache sei, dass diese damalige Erwärmung mit einem Meeresspiegelanstieg von 4 bis 8 Metern verknüpft war. «Ein solch hoher Meeresspiegel wäre heute eine Katastrophe für die mehr als 7 Milliarden Menschen, die auf der Erde leben – selbst wenn es einige tausend Jahre dauern würde, bis dieser Höchststand erreicht wird.»
Die auf den ersten Blick gute Nachricht der Studie ist, dass das grönländische Eisschild womöglich nicht so empfindlich auf eine Erwärmung reagiert, wie bisher angenommen. Allerdings: Wenn nicht Grönland damals einen Grossteil seines Eises ins Meer abgestossen hat, dann muss laut den Forschenden die Antarktis für einen Grossteil der 4 bis 8 Meter Meeresspiegelanstieg verantwortlich sein. Vor allem die Westantarktis würde somit im Vergleich sensitiver auf Klimaveränderungen der heutigen Zeit reagieren als bisher angenommen.
Die neuen Ergebnisse zeigen auch zeitliche Änderungen der erhöhten Temperaturen in Nordgrönland im Verlauf der letzten Warmzeit. Zu Beginn der Eem-Phase (vor 128’000 Jahren) war das Eisschild in der Nähe der NEEM-Eiskernbohrung 200 Meter höher als heute. Zu jener Zeit war die Temperatur bis zu 8 Grad Celsius wärmer. Zum Ende der Eem-Zeit war die Eisdicke schliesslich im Vergleich zu heute um 130 Meter geringer, aber sie war immer noch 2400 Meter dick. Die Temperaturen waren zu diesem Zeitpunkt immer noch 5 Grad Celsius höher als heute.
Das Forscherteam schätzt aufgrund dieser Messungen, dass das grönländische Eisschild sich innerhalb von 6000 Jahren um etwa 25 Prozent verkleinerte. Die Rate, mit der die Höhe des Eisschildes in der frühen Warmzeit abnahm, war mit 6 Zentimetern pro Jahr dennoch beträchtlich, und der Verlust an Eismasse war vergleichbar mit den Beobachtungen der letzten 10 Jahre.
Die Berner Beteiligung am NEEM-Projekt
Am NEEM-Projekt, geleitet von der Universität Kopenhagen, nahmen insgesamt 14 Nationen teil. Das Team bohrte in Norwestgrönland in nur etwas mehr als zwei Jahren einen tiefen Eisbohrkern bis zum Felsuntergrund. Daraus wurde die erste komplette grönländische Eiskern-Zeitreihe über die letzte Warmzeit, die Eem-Periode, rekonstruiert.
Unter anderem werden die Treibhausgase und die Luftmenge im Eis von der Abteilung Klima- und Umweltphysik des Physikalischen Instituts der Universität Bern gemessen. Das Berner Forscherteam, welches auch Teil des Oeschger Zentrums für Klimaforschung an der Universität Bern ist, misst ebenfalls die Konzentrationen von ionischen und partikulären Aerosolkomponenten im Eis in extrem hoher Auflösung – vergleichbar mit Baumringen, welche die jährlichen Klima-Veränderungen widerspiegeln.
Quelle: Universität Bern