Teilchenphysik: Hinweis auf Higgs-Teilchen
Die Antwort auf eine der spannendsten Fragen der Teilchenphysik scheint zum Greifen nahe: Die Wissenschaftler am Genfer Forschungszentrum CERN haben erste Anzeichen für das Higgs-Boson ausfindig gemacht und rechnen nun damit, dass ihnen schon bald der zweifelsfreie Nachweis des mit grossem Aufwand gesuchten Teilchens gelingen wird. Es ist das letzte Puzzle-Stückchen, das im Standardmodell der Physik noch fehlt, um den Aufbau der Materie zu erklären. Sein endgültiger Nachweis käme einer Sensation gleich. Möglicherweise haben wir tatsächlich den ersten Hinweis auf das Higgs-Teilchen beobachtet, aber noch ist es zu früh für eine definitive Aussage , sagt Univ.-Prof. Dr. Volker Büscher vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Und wenn sich diese Hinweise als richtig herausstellen, liefern die jetzt analysierten Daten erstmals direkte Informationen über seine Masse , ergänzt Univ.-Prof. Dr. Stefan Tapprogge. An der Mainzer Universität sind rund 50 Physiker an den Forschungen am CERN beteiligt und zwar insbesondere am ATLAS-Experiment, einem der zwei grossen Experimente, die sich die Suche nach dem Higgs-Teilchen zur vordringlichen Aufgabe gemacht haben.
Das CERN hatte am Dienstag die neuesten Ergebnisse zum Higgs-Boson präsentiert. Das Teilchen war vor fast 50 Jahren vorhergesagt worden und ist nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannt. Seitdem suchen die Wissenschaftler weltweit danach. Seine Entdeckung würde erklären, woher alle anderen elementaren Teilchen ihre Masse haben. Schon zwei Jahre nach dem Start haben die Proton-Proton-Kollisionen des LHC jetzt Ergebnisse geliefert, die die Forscher hoffen lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir zwei Aussagen machen , präzisiert Büscher. Zum einen: Wenn das Higgs-Boson tatsächlich die vermuteten Eigenschaften hat, dann muss seine Masse zwischen 115 und 131 Giga-Elektronenvolt liegen eine deutlich bessere Eingrenzung als noch vor einem Jahr. Zum anderen haben wir einen bemerkenswerten, interessanten Überschuss an Ereignissen gefunden, der ein erster direkter Hinweis auf ein Higgs-Boson der Masse im Bereich um 125 GeV sein könnte. Die Experimente am CERN werden im nächsten Jahr weitergeführt. Wenn sich die Hinweise bestätigen, wäre das Higgs-Boson ungefähr 125 Mal so schwer wie ein Proton.
Neben diesen neuen Daten vom ATLAS-Detektor, an denen die Mainzer Physiker massgeblich beteiligt sind, sieht auch der zweite grosse Teilchendetektor am LHC, der Compact Muon Solenoid (CMS), ähnliche Anzeichen. Für die Wissenschaftler um Volker Büscher und Stefan Tapprogge würde sich mit einer Bestätigung ein Traum erfüllen. Viele haben ihre wissenschaftliche Laufbahn der Jagd nach dem Higgs-Teilchen gewidmet und sind jetzt dabei, wenn es richtig spannend wird. Das ist ein grosser Moment für uns alle und es wäre wunderbar, wenn sich die Beobachtungen bestätigen liessen , so Tapprogge. Noch spricht kein Wissenschaftler von einer Entdeckung, denn dafür ist es noch zu früh: Die Zahl der beobachteten Ereignisse ist noch nicht gross genug, als dass ein Zufallseffekt statistisch zweifelsfrei auszuschliessen wäre. Aber allein die Tatsache, dass zwei unabhängige Experimente, ATLAS und CMS, in die gleiche Richtung weisen, sorgt für Aufregung und gibt Hoffnung, dass es sich hier tatsächlich um das mysteriöse Higgs-Teilchen handeln könnte.
Das Higgs-Boson wurde 1964 vorhergesagt und hätte die Funktion, den anderen elementaren Teilchen des Standardmodells ihre Masse zu verleihen. Nach den Vorstellungen der Physiker ist der gesamte Weltraum von dem sogenannten Higgs-Feld durchdrungen. Je nachdem wie stark die einzelnen Elementarteilchen an die Higgs-Bosonen koppeln, hätten sie mehr oder weniger Masse. Wird das fehlende Teilchen tatsächlich entdeckt, ist dies nicht nur die Bestätigung für ein Modell, sondern markiert zugleich den Aufbruch in eine neue Forschungswelt. Der LHC bietet zumal bei einer noch höheren Energie der Protonenstrahlen ab 2014 die idealen Voraussetzungen, um das Higgs-Feld und damit den Ursprung der Masse genau zu untersuchen.
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz