Tropensturm Lee: Buschfeuer in Texas und Überschwemmungen im Nordosten der USA
Das verbliebene Tief des Tropensturms Lee hat in den Mittelatlantikstaaten und im Nordosten der Vereinigten Staaten zu teilweise historischen Überschwemmungen geführt. In den Bundesstaaten Pennsylvania und New York wurden mehr als 100.000 Menschen dazu aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen. In der 45.000 Einwohner zählenden Stadt Binghampton, New York, stieg der Susquehanna River mehr als sechs Meter über die Hochwassermarke. In Wilkes-Barre, Pennsylvania, weiter flussabwärts überflutete der Fluss Teile des Stadtzentrums. Durch die Auswirkungen des Tropensturmes sind insgesamt mindestens 21 Menschen gestorben.
Lee war ein relativ schwacher tropischer Sturm, der einige Tage über dem Golf von Mexiko vor sich hin dümpelte, bevor er etwa 80 Kilometer westlich von New Orleans an Land ging. Der Sturm fachte in seinen westlichen Randbereichen in Texas einige Buschfeuer an, in denen mehr als 1.600 Häuser und Wohnwagen vernichtet wurden. Eine Frau und ihr Kleinkind kamen im Bastrop County in den Flammen um, weil sie sich nicht rechtzeitig vor dem rasch um sich greifenden Feuer hatten retten können. Von dem Brand war eine Fläche von rund 115 Quadratkilometern betroffen. Zwei weitere Tote durch ein Feuer wurden aus dem Nordosten des Bundesstaates gemeldet.
Sturm fachte Waldbrände an
Texas leidet seit fast einem Jahr an einer extremen Dürre, die in den Sommermonaten mehrfach neue Hitzerekorde begleiteten. Als sich Lee in der Nähe der Halbinsel Yucatán bildete, hatten viele Texaner gehofft, der Sturm würde nach Nordwesten ziehen und helfen, den laufenden Buschbränden ein Ende zu bereiten. Mehr als 180 Brände sind in Texas in den letzten Tagen ausgebrochen.
Vor der texanischen Küste ertrank ein Surfer. Ebenfalls ertrunken ist ein Jugendlicher, der in der Nähe von Fort Morgan, Alabama, von Wellen erfasst wurde. Ein weiterer Jugendlicher, der an der gleichen Stelle ins Meer gespült wurde, sowie die Mutter eines der beiden, die den beiden hinterhergesprungen war, konnten gerettet werden. Bei Mobile, Alabama, verlor ein Autofahrer auf regennasser Fahrbahn die Kontrolle über sein Fahrzeug und prallte gegen einen Versorgungsmast. Der Fahrer starb, und die vier Beifahrer wurden verletzt. Keiner der Insassen war angeschnallt.
Der Sturm wanderte dann in Richtung Alabama und lud dabei mancherorts mehr als 300 Millimeter Regen pro Quadratmeter ab. Schliesslich zog er auf der Westseite der Appalachen nordostwärts bis nach Pennsylvania und New York. In den Südstaaten, wo das Erdreich aufgrund einer langen Trockenheit aufnahmefähig war, kam es kaum zu nennenswertem Hochwasser. Weiter nördlich, wohin das immer noch immense Wassermassen mit sich führende Resttief zog, war das nicht so. Hier war das Erdreich mit Nässe gesättigt, vor allem durch die Regenfälle, die in Verbindung mit Hurrikan Irene gefallen waren.
Überschwemmungen mit neuen Höchstständen in Pennsylvania und New York
In drei Bundesstaaten wurden in Gebieten, die der Susquehanna River zu überfluten drohte, die Bewohner aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Von den Evakuierungen waren rund 100.000 Personen betroffen, die meisten davon in Wilkes-Barre und Umgebung. In Wilkes-Barre galt die Evakuierungsanordnung für rund 75.000 Einwohner. Hier ging man bei Ausrufung der Evakuierung davon aus, dass die Deiche gerade ungefähr die Höhe haben, bei der die Behörden den Scheitelpunkt des Hochwassers erwarteten. Im Luzerne County ordneten die Behörden die Evakuierung aller Ortschaften an, die 1972 überschwemmt worden waren. Zahlreiche Pegel zwischen Bloomsburg in der Mitte Pennsylvanias und dem Southern Tier, dem Gebiet New Yorks, das entlang der Staatsgrenze zu Pennsylvania nach Westen streicht, meldeten Rekordwasserstände.
Der Fluss ist seit den schweren Überschwemmungen im Jahr 1972, die andauernde Regenfälle im Zusammenhang mit Hurrikan Agnes ausgelöst hatten, nicht mehr so hoch gestiegen. Wäre der Fluss nur ein wenig höher gestiegen, hätte das Hochwasser die Deichkrone überspült und tausende von Gebäuden überschwemmt. Zwar blieb der Pegel gerade noch unterhalb der kritischen Marke, doch 800 bis 900 nicht ausreichend von Dämmen geschützte Häuser wurden dennoch überflutet.
Hunderte von Strassen mussten im Osten Pennsylvanias wegen Hochwassers gesperrt werden, darunter die Interstate-Autobahnen I-88, die im Tal des Susquehanna River verläuft, und I-95. Aufgrund eines Steinschlages war auch eine der Hauptzugangsrouten nach Philadelphia, der Schuylkill Expressway, geschlossen. Auch Amtrak musste den Ost-West-Verkehr in New York aussetzen. Präsident Obama rief für New York und Pennsylvania den Notstand aus und machte so das Eingreifen der FEMA möglich, um den örtlichen Behörden beizustehen.
In Wilkes-Barre haben die Dämme gehalten und so die Stadt vor einer umfassenden Überflutung bewahrt. Nur in einzelnen Bereichen der Stadt kam es zu Flutschäden. Im Zentrum leckte ein schadhaftes Fluttor, sodass es in vier Strassenblöcken zu grßeren Schäden kam. Im Norden des Stadtgebiets sorgte ein sich rückstauender Bach, der über die Ufer trat, dafür, dass hier teilweise das Wasser fast zwei Meter hoch stand.
Andere Ortschaften in der Nähe kamen nicht so glimpflich davon, etwa das 5.000 Einwohner zählende West Pittston, auf dem westlichen Flussufer. Hier hat das Hochwasser manche Häuser bis zum zweiten Stockwerk überschwemmt. Der Stadt kam nun eine vor fast 40 Jahren getroffene Entscheidung teuer zu stehen. Damals nach dem verheerenden Hochwasser durch Hurrikan Agnes hatten sich die Bewohner der Stadt gegen neue, höhere Deiche entschieden. Sie bewerteten den freien Ausblick auf den Fluss höher als das Risiko eines extremen Hochwassers.
Nun haben fehlende Dämme die Überflutung der Stadt nicht nur ermöglicht, sondern die Wirkung wurde wahrscheinlich dadurch verstärkt, dass das Hochwasser in dem engen Tal durch die Dämme in Wilkes-Barre gehindert wurde, nach Osten zu strömen und sich folglich Entlastung auf der anderen Flussseite suchte: durch West Pittston. Nach ersten Schätzungen kam es bei 880 Häusern in der Stadt zu Hochwasserschäden. Bei 628 davon lief nur der Keller voll, doch in 236 von ihnen stand das Wasser im Erdgeschoss. Bei 16 Häusern stieg das Wasser bis zum ersten Obergeschoss.
Die Bewohner West Pittstons machen insbesondere die Eight Street Bridge, die den Susquehanna River etwa fünf Kilometer südlich der Stadt in der Jenkins Township überquert, für die Auswirkungen des Hochwassers verantwortlich. Dieses Bauwerk erst im Frühjahr 2011 eröffnet habe wie ein Damm das Wasser des Flusses gestaut. Die Wasserbauingenieure haben noch keine Gelegenheit gehabt, dies anhand der gemessenen Pegelstände und der registrierten Abflussmenge nachzuvollziehen. Nach Angaben von James May, einem Sprecher für das Ministerium für Verkehr Pennsylvanias, haben die Brückenbauer die Auswirkungen von hohen Wasserständen bei ihren Planungen ausreichend berücksichtigt, doch Schilderungen einzelner Betroffener sind für die Ortsansässigen Begründung genug. So berichtete Michael Butera, ein nur eine Seitenstrasse vom Flussufer wohnender Rechtsanwalt, in seinem Wohnzimmer habe nun das Wasser anderthalb Meter höher gestanden als 1972 nach dem Durchzug von Hurrikan Agnes.
Lee verhinderte Schlimmeres
Mehrere Tage nach dem Landfall von Lee steckte das Resttief tagelang fast bewegungslos zwischen einer Front im Westen und dem herannahenden Hurrikan Katia im Osten fest. Dass das System so verhinderte, dass Katia auf die Ostküste der Vereinigten Staaten trifft und diesen Hurrikan nach Nordosten ablenkte, ist den Bewohnern in der Region nur ein schwacher Trost, denn statt des Hurrikans überschüttete sie nun tagelanger Regen mit Unmengen Wassers.
Den im August am schwersten von den Auswirkungen durch Hurrikan Irene getroffenen Gebieten, etwa in Vermont und im Nordosten New York, blieben neuerliche Unwetter weitgehend erspart, doch das Tal des Passaic River in New Jersey traf es erneut. Wir haben gerade die Aufräumarbeiten nach der Flut durch Irene beendet , klagte die bei Shenectady, New York, evakuierte Edith Rodriguez. Nun müssen wir wieder von vorne anfangen.
124 Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen wurden zumindest teilweise überflutet. In 14 von ihnen sei der Betrieb vollständig unterbrochen worden und ungeklärtes Wasser habe sich mit dem Hochwasser vermengt, teilte ein Behördensprecher mit. Diese Verschmutzung stellt für die Bewohner, die früh in ihre Häuser zurückkehren, um zu retten, was kaum zu retten ist, eine zusätzliche Gefährdung dar.
Der Scheitel des Hochwassers in Wilkes-Barre wurde zunächst irrtümlich bereits am Donnerstag (8. September) in der Nacht gemeldet, doch beruhten diese Informationen auf falschen Messdaten des Pegels an der North Street Bridge auf der Ostseite des Susquehanna River. Diese hatten mehrere Stunden eine Wasserhöhe von 11,83 Metern angezeigt, weswegen man irrtümlich davon ausging, dass der Höhepunkt des Hochwassers bereits erreicht sei gut einen halben Meter unterhalb der von den Hydrologen vorhergesagten Höhe.
Doch das Wasser stieg weiter, und inzwischen stellte sich heraus, dass bei dieser Wasserhöhe das mechanische Maximum der Messeinrichtung erreicht war. Das Gerät meldete diesen Wasserstand unbeirrlich solange weiter, bis schliesslich das steigende Wasser die Elektronik zur Übertragung der Messdaten erreichte und zum Verstummen brachte oberhalb der Marke von 12,5 Metern. Tatsächlich erreichte das Hochwasser einen Stand von 13,01 Metern, etwa einen halben Meter oberhalb der Marke von 1972, etwa 40 Zentimeter unterhalb der Krone der Deiche, die Wilkes-Barre schützten.
Was da passiert ist, ist nicht selten bei einem Hochwasser des Ausmasses, das wir in dieser vergangenen Woche hatten , sagte Robert Hainly, der stellvertretende Leiter des wasserwirtschaftlichen Zentrums des United States Geological Survey (USGS) für Pennsylvania. Das Gerät arbeitete bis zu seinem letzten Atemzug und hörte dann auf . Die elektronische Einrichtung der Messstelle sei höher montiert, als das Hochwasser nach Hurrikan Agnes gereicht habe, teilte Hainly mit, doch plane die Behörde die Messeinrichtungen anzuheben, sodass es bei einem künftigen Hochwasser nicht mehr zu einer derartigen Konfusion kommen könne. Wie Hainly mitteilte, soll es aus dem gleichen Grund an mindestens sechs Messstellen in Pennsylvania zu einem Versagen der Messeinrichtungen gekommen sein.
Quelle: Wikinews
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