Dehnungskräfte zerrten an der Marskruste und erzeugten Bruchstrukturen
Komplexe Störungszone in der Vulkanregion Tharsis des Mars: Phoenicis Lacus
Eine der markantesten geologischen Strukturen des Mars ist die Tharsis-Provinz, eine mehrere Kilometer hohe Aufwölbung der Marskruste mit einem Durchmesser von fast 4000 Kilometern. Durch lang anhaltende vulkanische Aktivität entstanden hier gewaltige, zum Teil mehr als 20 Kilometer hohe Vulkane. Mit dem Vulkanismus gingen massive Spannungen in der Kruste einher, die ein komplexes System aus Dehnungsbrüchen erzeugten. Phoenicis Lacus ist mit seinen zahlreichen Störungen und Kollapsstrukturen der südwestliche Ausläufer des grossen, bogenförmigen Bruchsystems Noctis Labyrinthus in Tharsis.
Die hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeichnete erst vor wenigen Monaten, am 31. Juli 2010, während Orbit 8417 neue, hochaufgelöste Bilddaten von Phoenicis Lacus mit etwa 17 Metern pro Bildpunkt (Pixel) auf. Mars Express befindet sich seit dem 25. Dezember 2003 in einer elliptischen Umlaufbahn um den Mars. Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene Aufnahmesystem HRSC (High Resolution Stereo Camera) ist eines von sieben Experimenten an Bord von Mars Express.
Bis heute wurden mehr als zwei Drittel der Marsoberfläche in hoher Auflösung und mehr als die Hälfte des Mars in Auflösungen von 10 bis 20 Metern pro Pixel aufgenommen; das besondere Merkmal der HRSC ist ihre Fähigkeit, die Oberfläche gleichzeitig in hoher Auflösung, in Farbe und in „3D“ aufzunehmen, so dass sich aus den Bilddaten digitale Geländemodelle der Marsoberfläche ableiten lassen. Die ESA verlängerte Mars Express bis Ende 2012.
Der „See des Phoenix“ ist eine trockene Wüstenregion
Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt bei 13 Grad südlicher Breite und 249 Grad östlicher Länge. Das dargestellte Gebiet grenzt die Hochlandebenen Syria Planum im Osten und Daedalia Planum im Westen voneinander ab und hat eine Fläche von etwa 8100 Quadratkilometer (59,5 Kilometer mal 136 Kilometer), was etwa der Grße der Mittelmeerinsel Korsika entspricht. Phoenicis Lacus – der „See des Phoenix“ – ist nach dem mythischen Vogel Phoenix benannt, der in der Redewendung „auferstanden wie Phoenix aus der Asche“ ein Begriff ist.
Der Hinweis auf einen See im Namen ist allerdings missverständlich, denn auf den Satellitenbildern der Marssonden finden sich keine Anzeichen dafür, dass sich hier ein stehendes Gewässer befand oder gar noch heute existiert. Die Bezeichnung „Lacus“ ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass das Gebiet bei historischen Beobachtungen mit Teleskopen von der Erde eine auffallende Albedo zeigt. Albedo, abgeleitet vom lateinischen Wort „alba“ für weiss oder hell, ist ein Mass für das Rückstrahlvermögen von Oberflächen. Dunkle oder raue Oberflächen reflektieren das eingestrahlte Licht schlechter als helle oder glatte Oberflächen. So identifizierte man bei der Erforschung der Planeten Regionen von sehr niedrigen beziehungsweise sehr hohen Albedowerten, die von dunkleren respektive helleren Oberflächen herrühren und dann zum Beispiel – wie im Fall von Phoenicis Lacus – nach Seen oder Meeren benannt wurden, weil sie eine ähnliche Albedo zeigen.
Dehnungskräfte zerrten an der Marskruste und erzeugten Bruchstrukturen
Die Entstehung der heute sichtbaren Strukturen wird in Zusammenhang mit der Aufwölbung der Tharsis-Vulkanprovinz vermutet. Phoenicis Lacus liegt in einer Zone des Störungssystems, in der die tektonischen Kräfte vorwiegend in west-östlicher Richtung ihre Wirkung entfalteten. Dadurch bildete sich eine typische, in der Geologie als „Horst- und Graben-Struktur“ bezeichnete Abfolge von stehen gebliebenen Geländeblöcken und entlang der Bruchflächen in die sich öffnenden Spalten nach unten gerutschten Krustenpaketen.
Der starke, wiederholte und lang anhaltende Vulkanismus in der Region Tharsis war nicht nur mit einer deutlichen Hebung grosser Teile des Gebietes verbunden, sondern auch mit der Anlage grossräumiger Störungssysteme. Die zergliederte Oberfläche in diesem Gebiet ist ein Beleg für die Komplexität des Vulkanismus auf dem Mars und der damit verbundenen Tektonik. Offensichtlich wechselte im Verlauf der geologischen Entwicklung der Region die Richtung der Spannungen in der Kruste, was an mehreren Generationen von Störungsverläufen mit unterschiedlicher Orientierung zu beobachten ist.
Quelle: DLR