TerraSAR-X-Bild: Grundwasserentnahme sorgt für das Absacken des Bodens in Mexico City
Mexico City gehört zu den bevölkerungsreichsten Metropolen der Welt. Knapp ist dabei vor allem das Wasser – und so wird das Grundwasser immer mehr angezapft. Der Radarsatellit TerraSAR-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat mit einem Abstand von vier Monaten die Stadt aus dem Weltall aufgezeichnet. Die Aufnahme zeigt: Allein innerhalb dieser Zeit senkte sich der Boden unter anderem durch Grundwasserentnahme stellenweise um zehn Zentimeter.
Dunkelrot eingefärbt sind die Bereiche der mexikanischen Hauptstadt, in denen TerraSAR-X die grßten Veränderungen der Bodenhöhe verzeichnete. Die grünen Einfärbungen zeigen Gebiete, in denen bei der Überlagerung der beiden Radar-Aufnahmen vom 20. September 2009 und dem 30. Januar 2010 keine Veränderung festgestellt wurde. „Besonders auffällig für den Kurzbesucher wird die Absenkung im Zentrum der Stadt, wo zwei der Wahrzeichen, das Opernhaus Bellas Artes und die Kathedrale am Hauptplatz, sich massiv senken“, sagt Michael Schmidt, Koordinator bei Conobio, der Nationalen Kommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität, in Mexico City. „Bei der Frontalansicht auf die Kathedrale fällt sofort deren Neigung ins Auge.“
Auf feinkörnigen Sedimenten gebaut
Auslöser für die extreme Absenkung ist unter anderem die Grundwasserentnahme. Die Stadt steht auf feinkörnigen Sedimenten eines ehemaligen Sees – wird über einen Brunnen Wasser aus dem Erdreich entnommen, verringert sich das Volumen des Untergrunds. „Selbst wenn man mit dem Pumpen aufhören würde, würden die verfestigten Sedimentschichten zwar wieder Feuchtigkeit aufnehmen, sie würden aber nicht mehr ihre ursprüngliche Dicke erreichen“, sagt Diplomgeologe Christian Minet vom DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung. Stattdessen hätten sich in der mexikanischen Hauptstadt steile und tiefe Grundwassertrichter gebildet – mit der Folge, dass verschiedene Stadtbezirke sich absenken. Für die Kathedrale beispielsweise bedeutet dies: Vorne, über den feinkörnigen Seesedimenten, sackt das Gebäude ab, der hintere Teil hingegen steht auf Teilen eines ehemaligen Aztekentempels.
Kathedrale in Mexico City
Doch den fast 17,6 Millionen Einwohnern in der so genannten metropolitanischen Zone stehen nicht viele Alternativen zur Verfügung. Die Stadt liegt in einem Hochtal auf 2300 Metern Höhe und ist umringt von Bergen wie dem Popocatepetl. So müsste das Wasser über die hohe Vulkankette in den Talkessel gepumpt werden. Zu 70 Prozent versorgen sich die Hauptstadtbewohner mit Wasser aus dem Untergrund. Zu spüren bekommt die Wasserknappheit aber nicht jeder: „Die reichen Stadtviertel werden vorrangig beliefert, so dass Viertel mit Botschaften, Firmen und gehobene Wohnlagen kaum Wassermangel verspüren“, sagt Michael Schmidt. „Die obere Mittelschicht und Oberschicht bekommen den Wassermangel oft nur indirekt zu spüren, wenn nämlich ihr Dienstpersonal nicht erscheint, weil sie am Morgen kein Wasser haben, um sich zu waschen.“ So gebe es Stadtviertel, die im Durchschnitt nur noch an vier Tagen in der Woche mit Wasser versorgt seien.
Radaraufnahme im „Weitwinkelmodus“
Vor allem bei bebauten Gebieten kann der TerraSAR-X-Satellit gute Messergebnisse erzielen. Die nicht eingefärbten Bereiche auf der Radar-Aufnahme sind beispielsweise Grünflächen, die sich über die Zeit durch Bewuchs oder Bewegung verändern. Zur Erzeugung des vorliegenden Bildes wurde das Radarinstrument von TerraSAR-X in einem speziellen „Weitwinkelmodus“, dem „ScanSAR-Modus“, betrieben, in dem man einen Geländestreifen von 100 Kilometern Breite am Stück abbilden kann. Da das Radar normalerweise nur in der Lage ist, einen wesentlich kleineren Teilbereich von etwa 30 Kilometern „auszuleuchten“, muss ein besonderer Trick angewendet werden, um die grßere Streifenbreite zu erlangen. Hierzu wird der Radarstrahl wiederholt vom Nah- zum Fernbereich geschwenkt, so dass zunächst ein kleiner Fleck der Grße 25 mal 3 Kilometer im Nahbereich beleuchtet wird. Anschliessend wird Fleck nach Fleck in 25 Kilometer versetzt dazu ausgeleuchtet, bis vier Teilstreifen des Bildes „abgescannt“ wurden. Dann beginnt der Vorgang von vorne. Schliesslich ergibt sich in Summe ein „Fleckenteppich“ aus beleuchteten Einzelszenen. Der Preis der grßeren Szene ist eine von drei Meter auf 16 Meter reduzierte Auflösung, die aber für viele Anwendungen keine Einschränkung darstellt. Möglich ist dieser Aufnahmemodus durch die elektronisch gesteuerte Phased Array Antenne, die das schnelle und trägheitslose Schwenken des Radarstrahls ermöglicht.
Das Bild von Mexico City wurde mit einer verfeinerten Schwenkmethode erzeugt, die als TOPS-Mode (Terrain Observation by Progressive Scans) bekannt ist und Schwächen des klassischen ScanSAR, einer ungleichmässigen Ausleuchtung der einzelnen Teilflächen, vermeidet. Das Resultat ist ein Bild ohne Helligkeitsschwankungen. Viele Anwendungen, vor allem in der Ozeanografie, werden von dieser Verbesserung profitieren – dazu gehören zum Beispiel eine verbesserte Schiffserkennung und die Detektion von Wellenmustern und Ölteppichen auf den Ozeanen. Mit TerraSAR-X konnte das TOPS-Verfahren zum ersten Mal aus dem Weltraum demonstriert werden. Die Untersuchungen zur weiteren Verfeinerung des Verfahrens werden am Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des DLR im Rahmen einer Studie für die europäische Weltraumorganisation ESA durchgeführt. Ziel ist die standardmässige Implementierung des TOPS-Mode in den Sentinel-1 Satelliten der ESA, der 2010 starten wird.
Die Mission TerraSAR-X
TerraSAR-X ist der erste deutsche Satellit, der im Rahmen einer so genannten Public Private Partnership (PPP) zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der EADS Astrium GmbH realisiert wurde. Der Satellit umkreist die Erde auf einem polaren Orbit. Dabei nimmt er mit seiner aktiven Antenne neue und hochwertige X-Band-Radardaten der gesamten Erde auf. TerraSAR-X arbeitet unabhängig von Wetterbedingungen, Wolkenbedeckung und Tageslicht und ist in der Lage, Radardaten mit einer Auflösung von bis zu einem Meter zu liefern.
Das DLR ist verantwortlich für die wissenschaftliche Nutzung der TerraSAR-X-Daten. Das DLR ist weiterhin verantwortlich für die Planung und Durchführung der Mission sowie für die Steuerung des Satelliten. Astrium hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für die Entwicklung und Nutzung beteiligt. Die Infoterra GmbH, ein eigens zu diesem Zwecke gegründetes Tochterunternehmen von Astrium, ist verantwortlich für die kommerzielle Vermarktung der TerraSAR-X-Daten.
Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)