Vulkanwolke: Erste Messergebnisse des CARIBIC-Fluges
Der Messcontainer CARIBIC flog am 20.04.2010 unter Leitung des Max-Planck-Institutes für Chemie an Bord eines Lufthansa-Flugzeug durch die Vulkanwolke über Skandinavien. Die Messungen zeigten nur geringe Konzentrationen an Aschepartikeln des Vulkans Eyjafjallajökull. Ein erstmals eingesetztes Gerät vermass dabei Grße und Zahl der Aschepartikel. Weitere Geräte nahmen Luftproben für genaue Analysen und sammelten allgemeine Daten zur Atmosphäre. Der normalerweise regelmässig auf Lufthansa-Linienflügen eingesetzte Messcontainer zur Untersuchung der Atmosphäre war zwei Tage nach der Entscheidung einsatzbereit. Ausführliche Pressekonferenz am 29. April am Max-Planck-Institut in Mainz.
Ein Luftfrachtcontainer voller High-Tech, eine Passagiermaschine mit einem Luft-Ansaugstutzen am Rumpf, innovative Wissenschaftler und kompetente Partner aus der Luftfahrtbranche: Dies sind die Erfolgszutaten des CARIBIC-Projektes, dass seit mehreren Jahren wertvolle Daten zum Zustand und den Prozessen in der Atmosphäre liefert. Am Dienstag konnte es erstmals in einem Sondereinsatz zu aktuellen Fragestellung eingesetzt werden. In Zusammenarbeit mit Lufthansa bereiteten die Wissenschaftler das Gerät am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz in Rekord-zeit vor. Als Glücksfall stellte sich dabei eine durch die Fraport AG grosszügig unterstützte Erweiterung des Containers heraus. Der erweiterte Container sollte erstmals Anfang Mai messen. Neu im Container ist auch der Optische Partikelzähler, der Grße und Anzahl von Luftpartikeln misst – ein empfindliches Gerät, um die Aschewolke zu vermessen.
Die Ergebnisse in Kürze:
1. Wie erwartet, war nur wenig Schwefeldioxid vorhanden, da der Eyjafjalljökoll nur wenig diese typischen Vulkan-Gases ausgestossen hat.
2. Es wurden mässige Konzentrationen von Asche-Partikeln bis zwei Mikrometer Durchmesser erfasst, obwohl gerade diese kleinen Partikel lange in der Atmosphäre schweben. Der Grossteil der Messwerte lag zwischen 20 und 125 Mikrogramm pro Kubikmeter, mit jeweils zehn Prozent darunter und darüber. Zum Vergleich: Für bodennahe Luft liegt der EU-Grenzwert für Feinstaub bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter.
3. Die CARIBC-Messwerte sind vergleichbar mit der Modellvorhersage, die zur Planung des Fluges herangezogen wurde.
4. Die Aschewolke des Vulkans war bereits verdünnt und teilweise in die Grenzschicht der Atmosphäre abgetaucht.
5. Der gesamte CARIBIC-Datensatz wird den Volcanic Ash Advisory Centres (VAACs , ICAO) zur Verfügung gestellt, damit bei zukünftigen Vulkanausbrüchen eine „Asche Vorhersage“ für den Flugverkehr gemacht werden kann.
Der Optische Partikelzähler – Funktion und Messwerte:
Das Messprinzip des Optischen Partikel Zählers (OPC) erläutert Andreas Weigelt vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung so: „Die Teilchen durchlaufen die Messkammer des Gerätes, wo sie ein Laserstrahl trifft. Das Licht des Lasers wird von den Partikeln gestreut. Anhand der Stärke des gestreuten Lichtes können wir die Grße der Partikel berechnen. Da wir auch wissen, wie viel Luft durch das Gerät strömt, können wir auch berechnen, wie viele Partikel insgesamt in der Luft sind. Über die Dichte der Partikel können wir auch die Gesamt-Masse berechnen.“ Das Gerät erfasst Partikel mit Grßen zwischen 125 Nanometer und zwei Mikrometern. Zum Vergleich: Ein Haar hat einen Durchmesser von etwa 0,05 Millimetern also 50 Mikrometern oder 50.000 Nanometern.
Der Grossteil der Messwerte lag zwischen 20 und 125 Mikrogramm pro Kubikmeter, mit jeweils zehn Prozent darunter und darüber. Aufgrund ihrer geringen Grße bleiben diese Partikel recht lange in der Atmosphäre schweben, Partikel grßer als 30 Mikrometer sinken in der Regel innerhalb von zwei Tagen zu Boden. „Wenn es nur geringe Mengen der kleinen, leichten Partikel gibt, können wir davon ausgehen, dass keine bedeutende Mengen grosser Partikel in der Luft sind, die dem Flugverkehr gefährlich werden können“, betont CARIBIC Projektleiter Dr. Carl Brenninkmeijer vom Max-Planck-Institut für Chemie.
Schwefeldioxid:
Schwefeldioxid wird bei heftigen Vulkanausbrüchen in grossen Mengen in die Stratosphäre ge-schleudert und kann die Erde abkühlen, indem es Teilchen bildet, die das Sonnenlicht ins All zurückreflektieren. Der Eyjafjallajökull hat jedoch nur geringe Mengen an Schwefeldioxid freigesetzt. „Insgesamt war der Schwefeldioxidgehalt während des gesamten Fluges sehr niedrig, doch über der Ostsee südlich der Insel Gotland konnten wir leicht erhöhte Werte feststellen. Genau hier sollte laut den Berechnungen die Vulkanwolke liegen“ so Klaus-Peter Heue vom Institut für Umweltphysik der Uni Heidelberg, das das entsprechende Messgerät massgeblich entwickelt hat. „Als CARIBIC vor zwei Jahren über Frankfurt zufällig durch die Überreste der Vulkanwolke des Kasatochi-Ausbruchs flog, lag der Wert um das Dreifache über den jetzigen Werten“, so Heue weiter (Genauere Informationen siehe http://www.mpch-mainz.mpg.de/mpg/deutsch/pri1109.htm). Das sogenannte DOAS-Gerät – Differentiale Optische Absorption-Spektroskopie – analysiert die einzelnen Wellenlängen des Sonnenlichtes auf die Veränderungen, die Licht erfährt, wenn es durch Gase hindurchtritt. Da diese sehr spezifisch typische Wellenlängen abschatten, hinterlassen sie ihre Signatur im Sonnenlicht, die über mathematische Verfahren entschlüsselt werden kann. Dieses Verfahren nutzen auch Satelliten, um die Zusammensetzung der Atmosphäre aus dem All zu untersuchen.
Weitere Daten:
Insgesamt können mit dem Container über 50 verschiedene Spuren- und Treibhausgase gemessen werden, entweder über Luftproben oder wie Ozon, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Methan und Stickoxide direkt im Container. Die gesamte Auswertung aller Daten wird noch mehrere Monate in Anspruch nehmen und alle Partner des CARIBIC-Projektes umfassen. Die boroskopische Untersuchung der Triebwerke durch Lufthansa-Technik ergab keinen Hinweis auf Schäden durch die Aschewolke.
Flugroute und Profil:
Die Flugroute führte von Frankfurt über Berlin, die Ostsee-Inseln Bornholm und Gotland, nach Stockholm. Nördlich von Stockholm ging es über das schwedische Festland Richtung Dänemark. Über Helgoland nahm der Lufthansa-Airbus A340-600 „Leverkusen“ wieder Kurs auf Frankfurt. Er startete um 15:47 Uhr am Dienstag, 20. April und landete nach vier Stunden wieder. Zu Beginn des Fluges wechselte der Flieger mehrfach zwischen 3000 und 6000 Metern Höhe, der zweite Teil des Fluges führte recht konstant durch 9000 Meter Höhe, um alle wichtigen Luftschichten vermessen zu können. Die Flugroute, die unter Mitarbeit von Lufthansa und dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt berechnet worden war, sollte möglichst direkt durch die Überreste der Vulkanwolke führen. „Wir konnten mit den Messungen nachweisen, dass sich die Wolke erwartungsgemäss durch die Vermischung mit anderen Luftmassen stark verdünnt hat“, sagt Brenninkmeijer.
Das Projekt CARIBIC http://www.caribic.de:
Das Forschungsprogramm CARIBIC (Civil Aircraft for the Regular Investigation of the Atmosphere Based on an Instrument Container) misst physikalische und chemische Prozesse in der Erdatmosphäre. „CARIBIC ist nicht speziell auf die Erforschung von Vulkanwolken ausgelegt, sondern soll uns helfen, die Vorgänge in der Atmosphäre allgemein zu verstehen“, so der Projektleiter Brenninkmeijer. Die 16 Instrumente sind in einem regulären Luftfrachtcontainer untergebracht, der über einen Ansaugstutzen mit Luft versorgt wird. Das Projekt fliegt seit 2004 regelmässig einmal im Monat auf vier Langstreckenflügen der Lufthansa mit und sammelt wertvolle statistische Daten über die Zusammensetzung der Atmosphäre an der Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre. „In dieser Grenzschicht laufen sehr viele chemische Prozesse ab, die wir bisher nur ungenügend verstehen, daher ist es wichtig, dass wir dort messen. Mit CARIBIC haben wir ein weltweit einzigartiges Projekt, das mittels eines Passagierflugzeug regelmässig Daten erfasst – und das zu vergleichsweise geringen Kosten.“
An dem vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz koordiniertem Projekt sind u. a. beteiligt: das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, das Karlsruher Institut für Technologie, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Universität Heidelberg. Es wird unterstützt durch die Lufthansa, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Europäische Kommission und die Fraport AG. Insgesamt sind 10 Institutionen aus fünf Ländern der Europäischen Union an diesem innovativen Projekt beteiligt.
Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie