Satellitengestütztes 3D-Radarsystem zur Ortung von Wasser oder Eis auf dem Mars
Die Antennen des Radarsystems MARSIS (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding) der ESA-Mission MarsExpress durften nur 7,5 kg schwer sein. Dieses für eine planetare Mission einzigartige Radarsystem kann bis zu 7 km tief in die Oberfläche von Planeten „schauen“ und 3D-Bilder der dortigen Verhältnisse liefern. Es belegte so die Anwesenheit von Wasser auf dem Mars – einer Voraussetzung für die Entstehung von Leben. Die RUB-Forschungsgruppe Antennen und Wellenausbreitung (Prof. Dr. Peter Edenhofer) war an Entwurf, Optimierung und Vermessung insbesondere des Radar-Antennensystems sowie bei der wissenschaftlichen Datenanalyse beteiligt. Sie berichtet in der online-Ausgabe des renommierten Wissenschaftsjournals „Planetary and Space Science“. Die bisher erzielten Ergebnisse bei MarsExpress haben die ESA kürzlich veranlasst, die Missionsdauer erneut zu verlängern.
Radarexperiment MARSIS der ESA Mission MarsExpress
Eine der wichtigsten Fragen der Mission MarsExpress (MEX) der ESA, gestartet 2003, ist die nach der Anwesenheit von Wasser oder Eis auf dem Mars in Form von Ablagerungen bzw. Einschlüssen womöglich auch tief im Marsboden. Dem Radarexperiment MARSIS (Principal Investigator: Prof. Picardi, La Sapienza Universität Rom) kommt daher eine Schlüsselrolle zu. Seine weiteren Aufgaben sind die geologische Sondierung des Bodens, die Charakterisierung der Oberfläche sowie die Sondierung der Ionosphäre, des elektrisch geladenen Teils der Atmosphäre von Mars. Auf der nahezu polaren, hochelliptischen Umlaufbahn von MarsExpress mit sieben Stunden Dauer kann MARSIS ca. 30 Minuten lang Messungen durchführen, wobei sich die Raumsonde MEX dann in Höhen zwischen 250 km (Periapsis) bis 900 km über der Planetenoberfläche befindet.
Variable Frequenzen steigern die Effizienz
Wichtiges Charakteristikum des Antennensystems, das aus zwei senkrecht zueinander stehenden Antennen (Dipol / Monopol) besteht, ist einerseits, dass schrittweise vier Frequenzbänder zwischen 1,3 und 5,5 MHz genutzt werden können (jeweils breitbandig mit 1 MHz pro Band bei einer Pulslänge von 250 µs und einer Freiraumauflösung von 150 m entsprechend Freiraumwellenlängen von 230 bzw. 55 m). Es können bis zu zwei Frequenzbänder gleichzeitig benutzt werden. Das erlaubt es zum Beispiel, frequenzabhängige Störfaktoren, die etwa durch die Ionosphäre des Mars oder gerätetechnische Laufzeiteffekte zustande kommen, aus den Messergebnissen herauszurechnen. „Die wechselnden Frequenzen erlauben uns auch mit den beiden mittleren Frequenzbändern bei 2,8 und 3,8 MHz einen Kompromiss einzugehen zwischen grßter Eindringtiefe bei relativ niedrigen Frequenzen und grßter räumlicher Auflösung bei relativ hohen Frequenzen“, erklärt Prof. Edenhofer
Messungen in horizontaler und vertikaler Richtung
Die Effizienz des Antennensystems wird noch dadurch gesteigert, dass sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung polarisationssensitiv gemessen werden kann. Der horizontal zur Oberfläche gerichtete und quer zur Bewegungsrichtung liegende Dipol von 40 Metern Länge dient zu Sendung und Empfang, während der senkrecht dazu angeordnete, nach oben gerichtete sieben Meter lange Monopol nur empfängt. „Das erleichtert z.B. die Trennung von reflektierten bzw. rückgestreuten Signalen, die von einem rauen bzw. glatten Terrainprofil aus seitlichen Richtungen störend als sog. Bodenclutter einfallen und solchen, die in senkrechter Richtung z.B. vom vorwiegend geschichteten Marsboden her rühren“, so Prof. Edenhofer. Schliesslich sorgt das Verfahren des Synthetic Aperture Radar (SAR) dafür, dass durch Mittelung über aufeinanderfolgende, die Marsoberfläche abtastende Strahlenbündel des Radars die elektrisch wirksame Länge des Dipols vergrßert und damit die insgesamt erzielbare Bündelung bzw. räumliche Auflösung verbessert wird.
40 Meter Antenne bei 7,5 Kilo
Die notwendigerweise niedrigen Signalfrequenzen des Radars stellen für Sender sowie Empfänger und insbesondere für das Antennensystem technische Herausforderungen dar. Um einen ausreichenden Wirkungsgrad des Dipols zu gewährleisten, wählten die Forscher eine horizontale Länge von insgesamt 40 Metern entsprechend einer Resonanzlänge äquivalent zur halben Wellenlänge der mittleren Signalfrequenz des Radars (vergleichbar etwa zur akustischen Resonanzlänge von Orgelpfeifen). Der senkrechte Monopol dagegen ist elektrisch kurz mit nur sieben Metern. Das Gesamtsystem durfte nur 7,5 Kilogramm wiegen – was gravierende Anforderungen an die Komplexität von Mechanik und Dynamik des Antennensystems stellt. Es ist als ein in 13 Segmente von 1,4 Metern Länge faltbares Bündel von Glasfaserröhren ausgeführt, in dem die Dipoldrähte geführt werden. Zu einer vollen Entfaltung der Antennenlänge kam es erst im Orbit mittels pyrotechnischer Hilfsmittel.
Bochumer Aufgaben: Simulationen, Berechnungen, Tests
Die Arbeitsgruppe der RUB war zunächst befasst mit Computersimulationen und der Optimierung der Antennendiagramme ko- und kreuzpolar sowie der breitbandigen Anpassung (d.h. maximale Leistungsübertragung bei 50 ?) an die beiden Eingangsimpedanzen im Orbit mittels adaptiver Schaltungsnetzwerke. Insbesondere mussten sog. Schielfehler des Dipols korrigiert werden: Störfaktoren der Sonde selbst infolge von Unsymmetrien der Strukturgeometrie, die zustande kommen z.B. durch die variablen Anstellwinkel der beiden drehbaren 10 m langen Sonnenpaddel, die seitlich zum Zentralkörper verschobene Fixierung der Dipolachse und die seitenflächig angebrachte 1,6 Meter grosse Hochgewinn-Reflektorantenne für Telemetrie-Übertragung. Auch Untersuchungen der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) wie z.B. das Übersprechen von Dipol zu Monopol und zu der marszugewandten Experimental-Messplattform gehörten zu den Bochumer Aufgaben. Schliesslich wurden vergleichsweise entsprechend simulierte Labor-Testmessungen an einem skalierten Sondenmodell im Hochfrequenz-Absorberraum des Instituts durchgeführt.
Ergebnisse von MARSIS – Messungen
In bisherigen Veröffentlichungen z. B. im Wissenschaftsmagazin „Science“ wurde im Wesentlichen berichtet über die Auswertung von MARSIS Messungen mit riesigen Eisablagerungen an Nord- und Südpol von Mars und die Identifizierung von versteckten Kratern etwa bei mittleren Breitengraden. So entdeckten die Forscher grossräumige Eisablagerungen bis in eine Tiefe von 3.700 m mit Ausdehnungen von durchschnittlich 300 km und mehr, entsprechend einer globalen Wasserschicht von elf Metern Tiefe allein bei einer (potentiellen) Abschmelzung der Eiskappe des Südpols. Neuere Publikationen befassen sich z. B. mit der Analyse der Messungen von feinstrukturierten Ablagerungen etwa am Rande der Südpol-Eiskappe in Form von bandförmigen Konfigurationen, einer stark reflektierenden, möglicherweise basaltartigen Grenzschicht an der Unterseite eines Eisbassins und einer eisreichen Schicht bis in eine Tiefe von 500 m (Farrell et al., 2008). Andere Analysen befassen sich mit Messergebnissen bei äquatornahen vulkanischen oder flussartigen Ablagerungen (Boisson et al., 2009).
Quelle: Ruhr-Universität Bochum