Haftungseigenschaften von Bakterien besser verstehen
In Kooperation haben Kieler Wissenschaftler mit Kollegen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der Technischen Universität Dänemark in Lyngby ein neues Verfahren entwickelt, um die Anhaftungsmechanismen von Bakterien an Wirtszellen zu untersuchen. Dadurch lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Verbreitung von bakteriellen Infektionen und die Wirksamkeit von Medikamenten ziehen. In der Zeitschrift Chemical Communications der Royal Society of Chemistry veröffentlichten Doktorandin Mirja Hartmann und Professorin Thisbe Lindhorst, beide Otto Diels-Institut für Organische Chemie der Christian-Albrechts-Universität, eine neue Methode, die den molekularen Mechanismen beim ‚Andocken‘ von Bakterien an menschliche Zellen auf den Grund geht.
Bakterien spielen für den Menschen eine grosse Rolle. Sie bilden beispielsweise die Darmflora, die notwendig für die Verdauung ist. Sie können aber auch eine Vielzahl von Krankheiten hervorrufen, wie Meningitis oder andere Entzündungen. Alle Bakterien haben jedoch gemeinsam, dass sie sich zunächst an die Oberfläche ihrer Wirtszellen binden müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. Dazu besitzen die meisten Arten sogenannte Fimbrien. Das sind haarähnliche Fäden von einem bis zwei µm Länge. (1 µm entspricht einem Tausendstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von ca. 70 µm.) Die Enden dieser Fimbrien bleiben an den zuckrigen Aussenschichten der Wirtszellen haften (Adhäsion genannt). So sind sie gegen das Wegspülen durch Blut oder ähnliche Sekrete geschützt und können ungehindert mit der Vermehrung beginnen.
„Jede einzelne Zelle ist von Zucker umgeben“, erklärt Hartmann. „Doch welche Mechanismen dazu führen, dass die Fimbrien an der komplexen Oberfläche der Wirtszellen hängen bleiben, ist bisher nicht bekannt“. In der neuen Methode geht es darum, die Zuckeroberfläche von Zellen auf Testplatten künstlich herzustellen. „Die synthetische Oberfläche erlaubt uns, einzelne Parameter zu kontrollieren und so die Bedingungen für ein Verkleben von Zelle und Bakterium zu simulieren“, so Hartmann weiter. Nachdem die Zuckeroberfläche hergestellt ist, werden speziell präparierte Bakterien aufgebracht, die entweder fluoreszieren oder durch eine grünliche Färbung sichtbar werden. So lässt sich feststellen, unter welchen Bedingungen die Bakterien am besten haften und wie Moleküle geschaffen sein sollten, um antibakteriell zu wirken.
„In Zeiten von Antibiotikaresistenzen ist dies ein viel versprechender Ansatz“, so Lindhorst. Immer mehr krankheitserregende Organismen bilden Schutzmechanismen gegen die traditionelle Behandlung mit Antibiotika aus. „Mit der Erforschung der bakteriellen Adhäsion kann man in Zukunft die molekularen Interaktionen auf der zuckerummantelten Zelloberfläche besser verstehen“, erklärt Lindhorst weiter. Dadurch kann die pharmazeutische Chemie weiterentwickelt werden, um neue Wege für Umgehung von Antibiotikaresistenzen zu finden. Damit neue synthetische Wirkstoffe aber nicht auch die Ansiedlung lebensnotwendiger Bakterien und andere physiologische Prozesse verhindern, ist die Weiterführung der begonnenen Grundlagenforschung unerlässlich.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel