Neue Erkenntnisse zur Erwärmung der Erde
In den letzten 100 Jahren hat sich die Erde um knapp 0,8 ° C erwärmt. Darin ist man sich in der Welt der Wissenschaften einig. Einige der möglichen Folgen davon: Wüsten breiten sich aus, Gletscher und sogar die Eiskappe am Nordpol schmelzen, der Meeresspiegel steigt. Unwetter und Überschwemmungen scheinen in einem beängstigenden Ausmass zuzunehmen. Bisher ungeklärt ist, in welchem Masse der Mensch – z. B. durch Treibhausgase wie das CO2 – zur globalen Erwärmung und damit zum Klimawandel beiträgt, und wie gross der Anteil ist, der sich als natürliche Temperaturschwankung erklären lässt.
Mit diesen Fragen beschäftigen sich Klimaforscher weltweit. Jetzt haben Wissenschaftler der Theoretischen Physik der Justus-Liebig-Universität Giessen Formeln gefunden, die den anthropogenen Anteil der Erderwärmung berechenbar machen. Eine aktuelle Publikation in der renommierten Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ gibt zum Teil überraschende Antworten auf die Frage nach der Berechnung des Anteils an der weltweiten Temperaturerhöhung, den wir Menschen zu verantworten haben.
Dr. Sabine Lennartz und Prof. Armin Bunde haben insgesamt 45 Messreihen ausgewertet – 30 davon stammen aus Messstationen weltweit, und 15 Messreihen sind gemittelte globale Temperaturen aus dem Internet. Bei zahlreichen Simulationen erkannten sie Gesetzmässigkeiten und fanden Formeln, mit deren Hilfe sich jetzt der anthropogene Anteil an der Erderwärmung einfach berechnen lässt.
Persistenz des Klimas
Bereits vor über zehn Jahren hatte die Giessener Arbeitsgruppe von Prof. Armin Bunde festgestellt, dass das Klima – ebenso wie das Wetter – eine ausgeprägte Erhaltungsneigung hat. Es ist schon lange bekannt, dass auf einen sehr warmen Tag mit grosser Wahrscheinlichkeit auch ein warmer folgt und auf einen sehr kalten wieder ein kalter Tag. Unbekannt war, dass diese Persistenz auch für das Klima gilt: Auf einen zu warmen Monat folgt eher wieder ein zu warmer Monat, auf ein zu warmes Jahr folgt eher wieder ein zu warmes Jahr. Das gleiche scheint für Dekaden und Jahrhunderte zu gelten, aber mit abnehmender Tendenz.
Aufgrund dieser Erhaltungsneigung der Temperaturen können sich lange Warm- oder Kaltperioden herausbilden mit einer deutlichen natürlichen Erhöhung bzw. Senkung der Temperatur. Methoden, das natürliche Auf und Ab des Klimas aus den Daten zu bestimmen, auch ohne dass man den von Menschen verursachten Trend kennt, wurden von den Giessener Wissenschaftlern bereits vor Jahren vorgestellt. Doch erst jetzt gelang es ihnen, den vom Menschen verursachten Anteil an der Erderwärmung aus den Daten herauszurechnen.
Anthropogene Erderwärmung
Dazu sind im betrachteten Zeitraum drei Grßen von entscheidender Bedeutung: die beobachtete Temperaturerhöhung (bestimmt über eine Trendgerade), die Standardabweichung um die Trendgerade und ein Parameter, der die Persistenz des Klimas charakterisiert. Diese Grßen dienen als Eingabewerte für exakte Formeln, die Dr. Sabine Lennartz und Prof. Armin Bunde bestimmen konnten, mit denen der Minimal- und Maximalwert der anthropogenen Temperaturerhöhung angegeben werden kann. Der tatsächliche Wert des anthropogenen Anteils liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen diesen Werten.
Von Bedeutung ist, dass die gemessene Temperaturerhöhung dabei nicht der Maximalwert ist. So kann es durchaus sein, dass der vom Menschen gemachte Anteil der Erwärmung grßer als die gemessene Erderwärmung ist, falls sich im betrachteten Zeitraum die Erde auf natürliche Weise abgekühlt hat. Für Potsdam, beispielsweise, ist die gemessene Temperaturerhöhung im 20. Jahrhundert 0,7 °C, und der anthropogene Anteil daran liegt zwischen -0,2 °C und 1,6 °C. Der hier gemessene Temperaturanstieg kann also auch allein den natürlichen Schwankungen zugeordnet werden. Anders ist die Situation in Sibirien, wo merkliche Temperaturerhöhungen stattgefunden haben, sowie bei der globalen Temperatur, wo die natürlichen Temperaturschwankungen kleiner sind.
Prognose
Aus dem errechneten Trend können dann auch Prognosen beispielsweise auf der Basis von 100 oder von 50 Jahren erstellt werden. Nimmt man die letzten 100 Jahre als Massstab, so erwartet man einen weiteren globalen Temperaturanstieg zwischen 0,1 °C und 1,4 °C. Setzt man hingegen die letzten 50 Jahre fort, so ist ein Temperaturanstieg zwischen 0 °C und 2,4 °C in den nächsten 100 Jahren zu erwarten. Damit scheint das Klimaziel der Bundesregierung, die globale Temperatur in den kommenden 100 Jahren um nicht mehr als 2 ° C ansteigen zu lassen, durchaus realistisch.
Quelle: Justus-Liebig-Universität Giessen