Wie kommen Muskeln zu ihrer Kraft?
Winzige Eiweissmoleküle in den Muskelfasern sind die eigentliche Ursache unserer Muskelkraft. Zusammen mit Biologen aus Hamburg haben Physiker der Technischen Universität München (TUM) die mechanischen Eigenschaften einzelner Eiweissmoleküle untersucht. In der Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) beschreiben sie, wie die zwei Eiweissbausteine, Titin und Telethonin, zusammenarbeiten und warum die Muskeln bei Beanspruchung nicht einfach auseinander fallen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen könnten nicht für die Medizin sondern auch für die Nanotechnologie bedeutsam sein.
Die eigentliche Ursache für die Kraft unserer Muskeln resultiert aus Nanometer kleinen biologischen Bausteinen. Ein Schlüsselelement ist dabei das Eiweiss Titin, das grßte Protein im menschlichen Körper überhaupt. Es ist hochelastisch und sorgt dafür, dass die Muskelfasern nach der Dehnung wieder in ihre Ruheposition zurück finden.
Auch bei einer Vielzahl weiterer Muskelfunktionen spielt das Riesenprotein eine wichtige Rolle. In einer Z-Scheibe genannten Struktur ist es mit dem für den Kontraktionsvorgang wichtigen Protein Aktinin und einem weiteren Protein, dem Telethonin, verbunden. Im Jahre 2006 zeigten Forschungsarbeiten, dass das Telethonin als Bindeglied zwischen Titin-Ketten fungiert. Simulationsrechnungen deuteten darauf hin, dass die beiden Moleküle durch starke Wasserstoffbrücken zusammen gehalten werden. Doch wie das genau funktioniert, konnten die Untersuchungen nicht ans Tageslicht bringen.
Dem Team um Professor Matthias Rief und Morten Bertz von der TU München, die auch Mitglied des Exzellenzclusters „Center for Integrated Protein Science Munich“ (CIPSM) sind, sowie den Molekularbiologen um Professor Matthias Willmanns am Hamburger European Molecular Biology Laboratory (EMBL) gelang es nun erstmalig, die mechanische Stabilität des Titin-Telethonin-Komplexes direkt zu messen. „Unsere Messungen zeigten, dass die Bindung extrem stark ist, aber nur in Richtung der Beanspruchung,“ erläutert Rief. „Die makroskopische Funktion des Muskels, nämlich Zusammenziehen und Entspannen, wird also in der Nanowelt der Proteinmoleküle exakt widergespiegelt.“
Mit einer in Garching entwickelten Methode können die Forscher einzelne Moleküle an der hochempfindlichen Spitze eines Rasterkraft-Mikroskops befestigen. Mit diesem ziehen sie am Molekül und können so seine mechanischen Eigenschaften direkt messen. Ihre Messungen zeigten nun, dass der Titin-Telethonin-Komplex in Arbeitsrichtung die stärkste jemals in der Natur gefundene Protein-Bindung aufweist. Wurde der Komplex in einer anderen Richtung auseinander gezogen, so liess er sich leicht lösen.
Die Forscher vermuten in der richtungsabhängigen Protein-Bindung ein wichtiges Konzept, das die Natur an vielen Stellen nutzt, an denen Organismen mechanischer Beanspruchung unterliegen. Ein genaueres Verständnis dieser Konzepte könnte sowohl die physiologische Forschung und die Entwicklung biomedizinischer Lösungen voran bringen als auch biomimetische Entwicklungen in der Nanotechnologie inspirieren.
Quelle: Technische Universität München