Nanofähren auf dem Weg in die Zelle
Nanopartikel sind nur Millionstel Millimeter gross und können aufgrund ihrer vielfältigen, oft noch unbekannten Eigenschaften ganz neuartige Produkte liefern. In der medizinischen Therapie etwa sollen winzige Nanofähren Wirkstoffe oder auch Gene in Zellen schleusen. Ob solche Ansätze gelingen, zeigte im Test bislang allerdings nur der Erfolg – wenn etwa das transportierte Gen in der Zelle auf gewünschte Weise aktiv wurde.
Unter der Leitung des LMU-Physikochemikers Christoph Bräuchle konnte ein Forscherteam in Kooperation mit Privatdozent Dr. Christian Plank von der TU München nun aber eine hochempfindliche mikroskopische Technik einsetzen, die einzelne Nanopartikel auf ihrem Weg in die Zelle verfolgt – in Echtzeit sowie in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung. Untersucht wurden magnetische Nanopartikel, die unter anderem in der Krebstherapie zum Einsatz kommen könnten. Die hochempfindliche Methode soll künftig auch ein besseres Verständnis bereits bestehender Nanovektoren sowie die Entwicklung neuer Systeme erlauben. Die Studie ist die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Journal of Controlled Release“. (Journal of Controlled Release, 20. Juli 2009)
Nanopartikel sind so klein, dass viele Barrieren im Körper für sie kein Hindernis darstellen. Sie können sich auch über den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilen. Deshalb sollen die synthetischen Teilchen in Zukunft Medikamente gezielt zum Krankheitsherd im Körper bringen. „Auch Gene liessen sich wohl auf diesem Weg transportieren“, sagt Plank. „Damit könnten in der von Rückschlägen geplagten Gentherapie weitere Durchbrüche erzielt werden. Denn noch immer fehlt es in erster Linie am passenden Transporter.“ Bislang kamen vor allem Viren als Vehikel zum Einsatz, die aber auch in entschärftem Zustand unerwünschte Nebenwirkungen auslösen können.
Die Nanofähren dagegen würden massgeschneidert produziert und könnten im günstigsten Fall, so die Hoffnung vieler Forscher und Ärzte, ihre genetische Fracht oder den Wirkstoff zielgerichtet und ohne Nebenwirkungen ans Ziel bringen. Für eine solche „Targeted Delivery“ benötigen die Nanofähren aber eine Art Suchsystem, das sie zu den Zielstrukturen führt. Magnetische Teilchen werden etwa in der Krebstherapie erprobt: Sie könnten per Infusion verabreicht und dann über ein Magnetfeld zum Tumor dirigiert werden. Dort sollen sie dann gezielt in die Tumorzelle eindringen. Für eine mögliche Zulassung und etwa auch für die Dosisbestimmung muss aber bekannt sein, auf welchem Weg und wie effizient Nanopartikel im Körper transportiert und von den Tumorzellen aufgenommen werden.
Bislang fehlte jede Möglichkeit, die Nanopartikel auf ihrem Weg, insbesondere in die lebende Tumorzelle, zu verfolgen. Erst das Auftreten oder Ausbleiben der therapeutischen Wirkung zeigte, ob ein Ansatz Erfolg versprach oder nicht. „Das ist wie eine Black Box“, sagt Bräuchle. „Man gibt vorne was rein und wartet ab, ob hinten was rauskommt. Was in der Zwischenzeit passiert, lässt sich nicht überprüfen.“ In seinem Arbeitskreis wurde nun die hochempfindliche Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie eingesetzt, um den Weg von Nanofähren zu verfolgen. Bei diesem hochempfindlichen Verfahren werden einzelne Partikel mit einem Farbstoff markiert, der wie eine „molekulare Lampe“ den Weg der Partikel in die Zelle hinein sichtbar macht.
„Wir haben auf diese Weise magnetische Lipoplex-Nanopartikel verfolgt und ihren Transport in Form von Filmen aufgezeichnet“, berichtet Anna Sauer, die Erstautorin der Studie. „Wir konnten die Partikel auf ihrem Weg in die Zelle mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung in Echtzeit beobachten.“ Dabei liessen sich einzelne Phasen unterscheiden: Wie das Teilchen die Zellmembran erreicht, sich dort niederlässt und schliesslich – eingeschlossen in ein Membranvesikel – in das Zellinnere gelangt. Dort bewegt sich das Vesikel ungerichtet und oft auch in ungewöhnlicher Weise, bis es von einem sogenannten Motorprotein aufgegriffen und schnell Richtung Zellkern transportiert wird, dem Zielort für das Gen.
Die einzelnen Etappen dieses Weges können die Forscher nun charakterisieren und detailliert beschreiben. „Das neue Verfahren hat auch Engpässe im Transport der Nanofähren offengelegt“, berichtet Bräuchle. „So konnten wir etwa sehen, dass das Magnetfeld die Partikel nur ausserhalb der Zellen dirigieren kann. Den Eintritt in die Zellen erleichtert es aber wider Erwarten nicht. Dank der neuen Einsichten können die bestehenden Nanofähren in Zukunft entsprechend optimiert und auch neue Systeme entwickelt werden.“
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München