Pazifik-Koralle liefert Infos zu Umweltänderungen
Das Klima auf unserem blauen Planeten wird entscheidend von Meeresströmungen mitbestimmt. Eine gewichtige Rolle spielen dabei deren Temperaturen und Salzgehalte. In der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Geology beschreibt ein deutsch-japanisches Forscherteam, wie sich der Salzgehalt im nördlichen Pazifik vor 100 Jahren drastisch verringerte. Gleichzeitig wurden die Winde, die den westpazifischen Kuroshiostrom antreiben, schwächer. Kurz darauf kam es auch zu Veränderungen im Nordatlantik: Dort wurde deutlich weniger arktisches Meereis gen Süden transportiert. Diskutiert wird, ob und wie die Klimaprozesse im Pazifik und Atlantik zusammenhängen.
Für ihre Untersuchungen konnten Dr. Thomas Felis und seine internationalen Kollegen auf einen im Pazifik erbohrten Korallenkern zurückgreifen. Bei dem Kern, der 2002 in knapp sechs Meter Wassertiefe auf den zu Japan gehörenden Ogasawara-Inseln gewonnen wurde, handelt es sich um den nördlichsten, jemals im Pazifik erbohrten Korallenkern. Die rund 30 Vulkaneilande umfassende Inselgruppe liegt etwa 1.000 Kilometer südöstlich von Japan in den Weiten des Pazifiks.
Zunächst röntgte der MARUM-Mitarbeiter den 1,74 Meter langen Kern aus Korallenkalk, um sein Alter zu bestimmen. Wie Bäume so bilden auch Korallen jährliche Wachstumsringe, sogenannte Dichtebänder, aus. Vom Jahr 2002 zurückzählend kam Thomas Felis zu dem Ergebnis, dass die Korallenkolonie 1873 zu wachsen begann.
Die Wissenschaftler entnahmen jedem jährlichen Dichteband sechs Proben und bestimmten deren Gehalte an Strontium, Uran und Kalzium sowie die Zusammensetzung der Sauerstoff-Isotope. Die im Lauf der Jahre wechselnden Verhältnisse dieser Elemente bzw. der Sauerstoff-Isotope zueinander konnten sie dann in Temperatur- und Salzgehaltsänderungen umrechnen.
Die grßte Überraschung boten die Jahre 1905 bis 1910 , sagt Dr. Felis: In dieser kurzen Zeitspanne ging der Salzgehalt im Oberflächenwasser des westlichen subtropischen Nordpazifiks drastisch zurück. Der MARUM-Wissenschaftler deutet den abrupten Wechsel zum niedrigeren Salzgehalt als Anzeichen für weiträumige Klimaveränderungen. Die atmosphärische Zirkulation über dem westlichen Nordpazifik änderte sich. Das führte dazu, dass die Winde, die den Kuroshiostrom antreiben, schwächer wurden erklärt der Bremer Geowissenschaftler. Wie der Golfstrom im Nordatlantik, so führt auch der Kuroshiostrom im Nordpazifik warme und recht salzhaltige Wassermassen aus den Tropen entlang der japanischen Küsten gen Norden in gemässigtere Breiten. Der Gedanke liegt also nahe, dass die plötzliche Änderung im Salzgehalt durch eine Abschwächung des Kuroshiostroms mitverursacht wurde.
Interessanterweise regnete es ab 1905 im Westen der Vereinigten Staaten, dessen Klima unmittelbar vom Pazifik beeinflusst wird, über Jahre deutlich mehr als im langjährigen Mittel. Sogar im Nordatlantik kam es nach 1905 zu Veränderungen: Durch die Framstrasse zwischen Grönland und Spitzbergen wurde erheblich weniger arktisches Meereis gen Süden transportiert als vorher. Dies könnte darauf hinweisen, dass die pazifische Klimaänderung sich weit über den Pazifik hinaus auswirkte , bilanziert Dr. Felis. Unsere Befunde zeigen, dass wir gut beraten sind, solche Informationen aus der Klimageschichte zu berücksichtigen; etwa dann, wenn wir Rechenmodelle nutzen, um Klimaszenarien für die Zukunft zu entwerfen , sagt der Bremer Geowissenschaftler, der im übrigen von der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen japanischen und deutschen Wissenschaftlern sehr angetan ist.
Wie immer, so wirft auch diese Untersuchung für Thomas Felis und das internationale Team neue Fragen auf: Anfang des letzten Jahrhunderts stieg die globale Durchschnittstemperatur deutlich an. Für mich stellt sich daher die Frage: Wie weit spielen menschliche Einflüsse, sprich der Treibhauseffekt, bei dem in unserem Korallenkern dokumentierten plötzlichen Klimawandel eine mit entscheidende Rolle?
Quelle: marum