Die unsichtbaren Bewohner unserer Weltmeere erforschen
Die 30-Meter-Segelyacht Sorcerer II von Craig Venter kam letztes Wochenende zur Stippvisite nach Helgoland. Anlass war das auf zwei Jahre angelegte globale, marine Genomprojekt vom J. Craig Venter Institute (JCVI) und die Kooperation mit deutschen Meeresforschern. Die Sorcerer II (engl. für Hexenmeister) ist eine mit modernster Meerestechnologie ausgestattete klassische Segelyacht. Mit einer dreistufigen Filteranlage sammeln die Forscher Mikroorganismen aus dem Meer.
Auf den engmaschigen Filtern bleiben Bakterien und Viren hängen, die dann zum Sequenzieren in die USA geschickt werden. Die Proben aus den Weltmeeren dienen dazu, die Zusammenhänge zwischen der Welt der Mikroorganismen und den globalen Stoffumsätzen im ökologischen Zusammenhang besser zu verstehen. Die aus diesem Genomprojekt gewonnenen Sequenzdaten werden öffentlich zugänglich in einer Datenbank gespeichert.
Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH), der Jacobs University und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie kamen am Sonntag zur Probennahme an Bord. Ziel war die Kabeltonne, eine Langzeitmessstation auf der Helgoländer Reede (zwischen Hauptinsel und Düne), die seit Jahrzehnten von Meereswissenschaftlern beprobt wird. Die Wissenschaftler forschen gemeinsam im Projekt MIMAS (Mikrobielle Interaktionen in Marinen Systemen), ein vom BMBF gefördertes Projekt, das strukturelle und funktionelle Veränderungen mikrobieller Gemeinschaften in der Nord- und Ostsee untersucht.
Prof. Frank Oliver Glöckner, Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielle Genomik am Max-Planck-Institut, ist überzeugt, dass sich die Kooperation mit dem US-amerikanischen Wissenschaftlern für beide Seiten auszahlt. „Die Sequenzdaten der Sorcerer II aus der Nord- und Ostsee werden die Datengrundlage für das MIMAS Projekt erheblich erweitern. Sie werden zum ersten Mal einen globalen Vergleich von Meeresökosystemen auf molekularer Ebene ermöglichen.“
Mikroben sind mit dem blossen Auge nicht sichtbar. Schätzungen zufolge tragen sie etwa zur Hälfte der Gesamtbiomasse der Erde bei und steuern wichtige globale Prozesse zur Umsetzung von Kohlenstoffverbindungen wie das Treibhausgas Kohlendioxid. Leider sind die Kleinstlebewesen nur schwer zu untersuchen. Nur etwa 1% aller Arten lassen sich im Labor mit klassischen mikrobiellen Techniken anzüchten. J. Craig Venter und sein Team wollen an die Genome der verbleibenden 99% heran. Dieses Genomprojekt ist nichtkommerziell und auf eine enge Kooperation mit den Wissenschaftlern der jeweiligen Küstenanrainerstaaten ausgelegt.
Die angewandete DNA-Sequenzierungsstrategie ist eine Modifikation der erfolgreichen Shotgun-Methode: J. Craig Venters Team sequenzierte damit das menschliche Genom mit in extrem kurzer Zeit (9 Monate). Die DNA wird dafür in kurze Bruchstücke zerlegt, kloniert, sequenziert und die Einzelsequenzen mittels Hochleistungscomputern und speziell dafür entwickelten Bioinformatikprogrammen wieder zusammengesetzt (Schrotschuss= Shotgun). J. Craig Venter vergleicht diesen Ansatz mit einem Puzzle mit sechs Milliarden Teilen. War das zusammensetzen des menschliche Genom schon kompliziert, ist es bei dem Ozean-Genomprojekt noch um einige Stufen schwieriger geworden. Jede einzelne Wasserprobe beherbergt eine nahezu unbekannte Anzahl verschiedenster Puzzle, die es zu lösen gilt. Aber die Methode funktioniert: In einer einjährigen Pilotstudie konnten bereits 1,2 Millionen neue Gene und 1800 neue Arten im Meer entdeckt werden. Die Sorcerer II-Expedition ist jetzt unterwegs in die Ostsee. Von dort geht es über das Mittelmeer ins Schwarze Meer.
Quelle: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie