Streit um Pestizid-Höchstmengen: EU-Grenzwerte höchst unterschiedlich bewertet
(aid) 10.09.2008 – Seit dem 1. September gelten EU-weit einheitliche Grenzwerte für die Pestizidbelastung von Futter- und Lebensmitteln. Schon im Vorfeld hatte es dazu heftige Kritik gegeben, denn nach einer Studie von Greenpeace und der österreichischen Organisation Global 2000 sind fast 700 der neuen EU-Grenzwerte für Obst und Gemüse zu hoch angesetzt. Durch die Angleichung der Pestizid-Höchstmengen in der EU seien in der Regel die geringeren deutschen Grenzwerte durch die meist weit höheren EU-Grenzwerte ersetzt worden. Für die Studie waren die 170.000 von der Kommission festgelegten Pestizid-Grenzwerte überprüft worden. Bei 570 Grenzwerten von Obst und Gemüse wird nach Angaben von Greenpeace die Akute Referenzdosis (ARfD) für Kinder überschritten. Die EU-Kommission und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hatten dies mit den Worten kommentiert, die deutsche Greenpeace-Studie basiere auf einer unausgereiften Vorauswahl des Datenmaterials vom März 2007. Hauptkritikpunkt ist, dass die Verzehrsgewohnheiten der Menschen unberücksichtigt blieben. So werden zum Beispiel auch die Rückstände auf der Schale von Orangen und Bananen mit eingerechnet, die aber normalerweise nicht mitgegessen werden. Die Einschätzung zu den einheitlichen Pestizid-Grenzen fällt also höchst unterschiedlich aus: Agrarverbände und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz begrüssten die Vereinheitlichung der Höchstwerte als wichtigen Meilenstein zur Transparenz. Für Erzeuger von Lebensmitteln und Futtermitteln, Importeure, Händler und Überwachungsbehörden bringe diese Harmonisierung einen erheblichen Gewinn an Übersichtlichkeit und Rechtssicherheit. Den Umweltverbänden hingegen sind die Werte zu hoch. Sie warnen, dass künftig vor allem Äpfel, Birnen, Trauben und Tomaten so stark mit Pestiziden belastet sein könnten, dass beispielsweise die Schädigung von Kindern zu befürchten sei. Der Industrieverband Agrar (IVA) wies darauf hin, dass es bislang keine einheitlichen Standards gegeben habe und sich Sicherheit und Transparenz für die Verbraucher verbessern würden. Greenpeace forderte die Verbraucher dazu auf, Bio-Lebensmittel zu kaufen und von Bundesernährungsminister Seehofer die Unterstützung dafür, von der EU-Kommission strengere Grenzwerte zu fordern. Die Umweltorganisation PAN-Europe hat – auch deswegen – Klage gegen die Kommission beim Europäischen Gericht in Luxemburg eingereicht.
Quelle: aid, Britta Klein
Hintergrund:
Das BVL definiert wie folgt die Herangehensweise an die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten:
Hier werden die in Versuchen ermittelten Rückstände berücksichtigt, weiterhin Daten zur Toxikologie sowie Verzehrmengen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die durch den Verbraucher aufgenommene Menge einer Substanz den ADI-Wert und, soweit vorhanden, den ARfD-Wert dieser Substanz nicht überschreitet. Der ADI („Acceptable Daily Intake“) gibt die Menge eines Stoffes wieder, die ein Verbraucher täglich und ein Leben lang ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann. Die akute Referenzdosis (ARfD) gibt die Menge eines Stoffes an, die ein Verbraucher über einen kurzen Zeitraum, eine Mahlzeit oder einen Tag, ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann. Die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten folgt dem ALARA-Prinzip („As Low As Reasonably Achievable“), also „So niedrig wie möglich und angemessen“.
Weitere Informationen: http://pflanzenschutzmittelrueckstaende.aid.de