Bis zu 10.000 Tote durch Zyklon Nargis in Myanmar
Rangun (Myanmar), 05.05.2008 Der erste tropische Wirbelsturm der diesjährigen Wirbelsturmsaison im nördlichen Indischen Ozean, Zyklon Nargis, hat in Myanmar eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Der Sturm, dessen Stärke kurz vor dem Landfall der Kategorie 4 auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala entsprach, fegte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 190 Kilometern pro Stunde über das Land, deckte dabei Dächer ab und riss Versorgungsleitungen herunter. Der Flugverkehr auf dem internationalen Flughafen wurde unterbrochen. Im Laufe des Tages stiegen die Opferzahlen schnell an. Aussenminister U Nyan Win gab die Zahl der Toten mit vermutlich über 10.000 Menschen an.
Die Regierung Myanmars hat für die fünf Divisionen Irrawaddy, Karen, Mon, Bago und Rangun den Notstand ausgerufen. Die mehr als fünf Millionen Einwohner zählende frühere Hauptstadt lag unmittelbar in der Zugbahn des Zyklons. Der Sturm traf das Land eine Woche vor der angesetzten Volksabstimmung über den Verfassungsentwurf der Militärjunta, der für 2010 freie Wahlen vorsieht. Die Opposition hatte die Wähler aufgefordert, den Verfassungsentwurf abzulehnen.
Besonders betroffen sind tiefliegende Gebiete im Delta des Irrawaddy, wo zu den direkten Auswirkungen durch Wind und Regen noch eine Sturmflut wütete. In der Ortschaft Labutta sind nach Angaben des staatlichen Fernsehsenders 75 Prozent der Gebäude zerstört. Laut Agenturmeldungen sind im Irrawaddy-Delta mindestens 90.000 Menschen obdachlos geworden; 20.000 Häuser sollen hier zerstört worden sein. Die Menschen flohen in Notunterkünfte. Direkt oder indirekt betroffen sind laut dem Hilfswerks Word Vision bis zu zwei Millionen Menschen.
Augenzeugen berichteten, dass auch Rangun erhebliche Schäden davon getragen hat. Die Shwedagon-Pagode soll schwer beschädigt und viele umliegende Gebäude völlig zerstört worden sein. Auch die Sule-Pagode sei verwüstet. Eine UN-Mitarbeiterin sagte in Rangun zur Associated Press, die Strassen seien blockiert, es gebe keinen Strom und kein Trinkwasser. Ein Diplomat verglich die Stadt mit einem Kriegsschauplatz. Im Hafen der Stadt sind nach Angaben staatlicher Medien vier Schiffe gesunken.
Inwieweit internationale Nothilfe vor Ort gelangt, ist unklar, da die Militärs auch nach der Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 keine ausländischen Hilfsorganisationen ins Land liessen. Nach Angaben des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon steht die UNO mit Hilfsangeboten für die notleidenden Menschen in Myanmar bereit. Das Katastrophenabschätzungs- und Koordinierungsteams der Vereinten Nationen (UNDAC) der UNO ist vorbereitet um der Regierung bei der Bewältigung der humanitären Probleme zu helfen. Zurzeit liegt von der Regierung Myanmars keine offizielle Bitte um Hilfe vor. Von Seiten der UNO laufen jedoch bereits Koordinierungsversuche in der thailändischen Hauptstadt Bangkok an. Terje Skavdal, der von Seiten der UNO für die Koordinierung der Hilfe in Südostasien zuständig ist, hat dafür eine Erklärung: Normalerweise ist es die Position der Regierung, nicht um Hilfe zu bitten, aber wenn Hilfe angeboten wird, dann nehmen sie die auch an.
Von der Regierung des Landes erwarten die Menschen wenig Unterstützung. Vereinzelt wurde durch die Bürger Kritik an den schleppenden Hilfsmassnahmen des Militärs geäussert. Wo sind all die uniformierten Leute, die stets bereit sind, Zivilisten zu prügeln? fragte einer. Von Zeitungen, die ausserhalb Myanmars von Exilbirmanen herausgegeben werden, werden Bürger des Landes mit Stellungnahmen zitiert, wonach sie bisher vergeblich auf Hilfe warteten. Die Staatsorgane hätten die Lage nicht im Griff. Im staatlich kontrollierten Fernsehen zeigten sich führende Generäle der Militärregierung des Landes, wie sie sich ein Bild von der Lage machten. Unterdessen wurde bekannt, dass die Militärjunta an dem für Samstag geplanten Verfassungsreferendum festhalten will. Ungeachtet der grßtenteils zusammengebrochenen Infrastruktur des Landes die ehemalige Hauptstadt Rangun ist ohne Wasser und Strom sollen die Bürger am Samstag über einen Verfassungsentwurf abstimmen, der die Rechte der Militärjunta noch weiter festigen soll. Mit einer eigens geschaffenen Bestimmung wurde zudem sichergestellt, dass die unter Hausarrest stehende prominente Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi nicht für das höchste Staatsamt kandidieren kann. In der Verfassung heisst es, dass niemand kandidieren kann, der mit Ausländern ehelich gebunden gewesen ist oder war. Suu Kyi war jedoch mit einem britischen Staatsbürger verheiratet.
Erste Hilfe soll aus Thailand und Indien geleistet werden. Plastikplanen für Dächer, Tabletten zum Wasser-Desinfizieren, Kochmaterialien, Decken und Kleidung sollen laut einem thailändischen Militärsprecher am Dienstag mit einem Transportflugzeug nach Myanmar transportiert werden. Auch aus Malaysia soll bald Hilfe eintreffen.