Gentechnikfreie Landwirtschaft ist bedroht
Nach Informationen des Bundes Naturschutz (BN) plant Bundesagrarminister Horst Seehofer eine Novellierung des Gentechnikgesetzes, welche die Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland befördern soll . In einem dem BN bekannt gewordenen, intern Positionspapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind weit reichende Änderungen zu Lasten der gentechnikfreien Landwirtschaft vorgesehen. Danach sollen Forschungseinrichtungen und Firmen, die Gentech-Pflanzen experimentell erproben und Bauern, die sie kommerziell anbauen, einen Freibrief für grossflächige gentechnische Verunreinigungen erhalten. Würde die grosse Koalition ihr Ansinnen umsetzen, wäre das Ende der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion besiegelt. Der Bund Naturschutz appelliert deshalb an die bayerischen Bundestagsabgeordneten der CSU und SPD, sich gegen diese angekündigten Verschlechterungen zur Wehr zu setzen, um die Chancen eines gentechnikanbaufreien Bayerns und Deutschlands nicht zu verspielen , so der Landesvorsitzende Hubert Weiger. Der Widerstand gegen die Genmanipulation ist in Bayern von allen Bundesländern mit am grßten; Bayern hat auch mit die meisten (25) gentechnikfreien Regionen.
Der Bund Naturschutz wendet sich insbesondere gegen die vorgesehenen
Freistellungen von der Verursacherhaftung für experimentelle Freisetzungen. So sollen Entschädigungsansprüche bei Forschungsvorhaben mit genmanipulierten Pflanzen nur noch für Landwirte gelten, deren Ackerflächen sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gentech-Feld befinden. Lebensmittelverarbeiter und -händler, in deren Produkten dann evt. Verunreinigungen auftauchen würden, sollen keinen Entschädigungsanspruch mehr haben. Dieser Freibrief für Monsanto und BASF ist eine existentielle Bedrohung der bäuerlichen Landwirtschaft zu Gunsten der Agrarindustrie. Sollten nicht zugelassene GVO so in den Verkehr gebracht werden, würde der BRD auch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU ins Haus stehen. Denn am 21. 2. 2006 hat die EU-Kommission in einem Schreiben an das Landwirtschaftsministerium klargestellt, dass es für Auskreuzungsprodukte aus Freisetzungen keine Grenzwerte gibt. Für sie gelte eine Nulltoleranz, die Kommission dulde keine Rechtsbrüche.
Nach dem internen Eckpunktepapier soll auch der Haftungsanspruch für die konventionelle Landwirtschaft ausgehebelt werden. Durch die Streichung eines rechtsrelevanten Begriffs in Paragraphen 36 a, der die Haftungstatbestände beschreibt, würde anders als derzeit eine Entschädigung erst für Verunreinigungen oberhalb von 0,9 Prozent einklagbar werden (siehe Erläuterung unten). Bereits heute lehnen Verarbeiter wie Mühlen oder Lebensmittelhersteller im konventionellen Bereich auch gering verunreinigte Chargen am Beginn der Verarbeitungskette ab, da sie ihrerseits einen Puffer benötigen, um den Kennzeichnungsschwellenwert für Lebensmittel nicht zu überschreiten. Das heisst für konventionell wirtschaftende Landwirte: Sie müssen ihren Abnehmern entweder die Gentechnikfreiheit ihrer Produkte oder einen Verunreinigungsgrad deutlich unter 0, 9 Prozent garantieren, andernfalls ist ihre Ernte unverkäuflich. Eine Entschädigung erst ab einem GVO-Gehalt von 0,9 % vorzusehen, ist aus Sicht des BN nicht hinnehmbar.
Forderungen
Für die Novellierung des deutschen Gentechnikgesetzes fordert der BN deshalb:
Die Haftung muss wie bisher beim Landwirt liegen, er trägt Verantwortung für die Einhaltung der guten fachlichen Praxis
Die Gesamtschuldnerische Haftung muss bleiben, um eine Entschädigung zu gewährleisten
Der die Entschädigung auslösende Schwellenwert ( wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung ) muss nach dem Vorbild des Gentechnikvorsorgegesetzes der Steiermark vom Mai 2006 auf 0,1 % gesenkt werden (Ausschöpfung des Spielraums § 26 a der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18: Die Mitgliedsstaaten können die geeigneten Massnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern. )
In jedem Fall muss der Begriff insbesondere bleiben, um Entschädigungen unterhalb von 0,9 Prozent Verunreinigung zu ermöglichen. Die Gute fachliche Praxis muss so ausgestaltet werden, dass Schadensfälle die absolute Ausnahme bleiben, und sie muss die gesamte Kette vom Saatgut bis zum Produkt im Verkaufsregal umfassen. Auskreuzungsprodukte aus Freisetzungsversuchen dürfen keinesfalls in den Verkehr gebracht werden. Alle Antragsteller haben für die aus GVO-Freisetzungen resultierenden Schäden zu haften.
Quelle: bund-naturschutz.de